Training der Gefühle - Wie Sie sich hartnäckig weigern, unglücklich zu sein

von: Dr. Albert Ellis

mvg Verlag, 2006

ISBN: 9783864159060 , 288 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 12,99 EUR

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Training der Gefühle - Wie Sie sich hartnäckig weigern, unglücklich zu sein


 

KAPITEL 2


Können Sie sich wirklich weigern, sich wegen jeder Kleinigkeit unglücklich zu machen?


Dieses Buch vermittelt eine seltsame Botschaft, nämlich, dass praktisch alle seelischen Konflikte ziemlich unnötig sind – ganz zu schweigen davon, dass sie unethisch sind. Sie selbst unethisch? Wenn Sie sich selbst in tiefe Angst oder Depressionen versetzen, so sind Ihre Handlungen ganz klar gegen sich selbst gerichtet und Sie sind sich selbst gegenüber unfair und ungerecht.

Ihre Verwirrung hat auch eine schlechte Auswirkung auf Ihr soziales Umfeld. Sie trägt dazu bei, Freunde und Verwandte in Aufregung zu versetzen und in gewissem Maße Ihrer ganzen Umwelt zu schaden. Die Konsequenzen, die Sie dafür zu tragen haben, dass Sie sich in Panik, Zorn oder Selbstmitleid ergehen, sind ungeheuerlich. Sie vergeuden Zeit und Geld, unternehmen nutzlose Anstrengungen, leiden unerwünschte seelische Qualen, unterminieren das Glück anderer und lassen sich dummerweise mögliche Freuden entgehen in dem einen – jawohl, dem EINEN Leben, das Sie jemals haben werden.

Was für eine Verschwendung!

Aber ist seelischer Schmerz vielleicht nicht eine Grundbedingung der menschlichen Existenz? Begleitet er uns nicht seit undenklichen Zeiten? Ist er dann nicht unvermeidlich, solange wir wahrhaft menschlich sind, solange wir die Fähigkeit besitzen zu fühlen?

Nein, das ist er nicht.

Verwechseln wir nicht schmerzliche Gefühle mit seelischer Störung! Ohne Zweifel können Menschen fühlen. Andere Wesen fühlen auch, ihre Gefühle sind jedoch nicht so tief. Zum Beispiel scheinen Hunde das zu fühlen, was wir vielleicht Liebe, Trauer, Furcht und Vergnügen nennen. Sie empfinden nicht genauso wie wir, aber sie haben ganz zweifellos Gefühle.

Aber wie steht es mit Ehrfurcht, romantischer Liebe, poetischem Feuer, kreativer Leidenschaft und wissenschaftlicher Neugierde? Haben Hunde und Affen diese Gefühle auch?

Ich bezweifle es. Unsere feinsinnigen, romantischen, kreativen Gefühle entstehen aus komplizierten Gedanken und Weltanschauungen. Zwei Stoiker, Epiktet und Mark Aurel, wiesen darauf hin, dass wir Menschen hauptsächlich so fühlen, wie wir denken. Das stimmt nicht ganz, aber im Großen und Ganzen.

Das ist seit über 30 Jahren die zentrale Botschaft der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie (REVT). Sie entstand aus der Verschmelzung und Anpassung einiger Grundregeln alter und neuerer Denker, insbesondere der Gedanken von Baruch Spinoza, Immanuel Kant, John Dewey und Bertrand Russell. In der Tat schaffen wir unsere eigenen Gefühle, und das tun wir durch Lernprozesse (von unseren Eltern und der Umwelt) und durch das Erfinden unserer eigenen rationalen und irrationalen Gedanken.

Wir treffen bewusst oder unbewusst die Wahl unserer Gedanken und somit bestimmen wir unsere Gefühle, und zwar auf eine Art und Weise, die uns selbst hilft oder schadet.

Das stimmt so noch nicht ganz. Denn sowohl die Vererbung als auch unsere Umwelt beeinflussen uns zusätzlich.

Wir werden kaum mit bestimmten Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen geboren. Und genauso wenig veranlasst uns unsere Umgebung unmittelbar zum Handeln oder Fühlen. Unsere Gene und unser soziales Umfeld beeinflussen unser Denken und Handeln in hohem Maße, auch unsere Launen, unsere Lust und unsere Vorlieben. Und obwohl wir normalerweise diesen vorhersehbaren Neigungen nachgeben, sind wir doch nicht unbedingt dazu gezwungen.

Nicht, dass wir unbegrenzte Wahlmöglichkeiten oder gar einen freien Willen hätten. Oh nein. So sehr wir es auch wollen, wir können nicht einfach die Arme ausbreiten und fliegen. Wir können unsere verschiedenen Abhängigkeiten, wie die Abhängigkeit von Zigaretten, Nahrungsmitteln und Alkohol, oder Gewohnheiten, wie chronische Entschlusslosigkeit, nicht so einfach ablegen. Es fällt uns sehr schwer, auch nur eine unserer eingefahrenen Verhaltensweisen zu ändern. Leider!

Wir haben aber die Möglichkeit, uns merklich zu verändern. Wir sind in der Lage, selbst unseren eingefahrensten Verhaltensweisen eine neue Richtung zu geben. Warum? Weil wir, im Gegensatz zu Hunden, Affen und Kakerlaken, menschlich sind. Als Menschen werden wir mit einem Wesenszug geboren (und können diesen gezielt weiterentwickeln), den andere Wesen nicht besitzen: Wir besitzen die Fähigkeit, uns über unsere Gedanken Gedanken zu machen. Wir sind von Natur aus Philosophen, wir können über unsere Weltanschauungen philosophieren, unsere Vernunft durchdenken.

Das ist ein ziemliches Glück! Und das gibt uns einen gewissen Grad an Selbstbestimmung oder freiem Willen. Wenn wir nämlich nur eingleisige Denker wären, unser Denken nicht erforschen, unsere Gefühle nicht abwägen, unser Tun nicht im Nachhinein analysieren könnten, wo stünden wir dann? Wir säßen fest!

In der Tat sitzen wir nicht fest, wir sind auch nicht die Sklaven unserer eigenen Gewohnheiten, wenn wir es nicht wollen. Denn wir können uns unserer Umgebung und unserer selbst bewusst sein. Wir werden geboren – ja, geboren – mit dem seltenen Potenzial, unsere Beobachtungsgabe und unsere Fähigkeit nachzudenken, uns selbst gegenüber einzusetzen. Nicht, dass andere Wesen (zum Beispiel die Primaten) kein Bewusstsein ihrer Selbst hätten. Sie haben ein wenig davon, aber nicht sehr viel.

Wir Menschen besitzen richtige Selbsterkenntnis. Wir können, obwohl wir es nicht müssen, unsere eigenen Ziele, Wünsche und Zwecke betrachten und beurteilen. Wir können sie überprüfen, neu setzen und sie ändern. Wir können auch unsere veränderten Ideen, Gefühle und Taten beobachten und über sie nachdenken. Und wir können sie immer und immer wieder ändern!

Nun wollen wir diesen Gedanken der „Selbstveränderung“ nicht sinnlos ausschlachten. Natürlich besitzen wir diese Fähigkeit. Natürlich können wir sie anwenden, aber nicht grenzenlos. Wir erhalten unsere ursprünglichen Ziele und Wünsche zum großen Teil durch unsere biologische Konditionierung und unsere frühkindliche Erziehung.

Wir mögen Muttermilch (oder abgepackte Fertignahrung), und es bereitet uns Vergnügen, uns an den Körper unserer Eltern zu schmiegen. Muttermilch und Körperkontakt zu den Eltern lieben wir, weil unser Überlebensinstinkt uns zeigt, dies zu lieben, wir dazu erzogen sind, es zu lieben, und wir uns daran gewöhnen, es zu lieben. Also ist das, was wir unsere Wünsche und Vorlieben nennen, nicht frei gewählt. Vieles davon wird uns durch Vererbung und Erziehung eingepflanzt.

Je mehr wir unsere Selbsterkenntnis benutzen, um über unsere Ziele und Wünsche nachzudenken, desto mehr schaffen wir freien Willen und Selbstbestimmung. Das gilt auch für Gefühle, sowohl für gesunde als auch gestörte Gefühle. Nehmen Sie nur als Beispiel Ihre eigenen Gefühle der Frustration und Enttäuschung, wenn Sie einen Verlust erleiden. Jemand verspricht Ihnen beispielsweise eine Stellung, oder will Ihnen Geld leihen, und macht dann einen Rückzieher. Natürlich fühlen Sie sich verärgert und traurig. So weit, so gut: Diese negativen Gefühle bestätigen, dass Sie nicht bekamen, was Sie wollten, und ermutigen Sie, nach einer anderen Stellung oder einem anderen Geldgeber Ausschau zu halten.

Diese Gefühle von Verärgerung und Traurigkeit sind also zunächst unbequem und „schlecht“. Auf Dauer gesehen haben sie jedoch die Tendenz, Ihnen zu dem zu verhelfen, was Sie wollen, und dem abzuhelfen, was Sie nicht wollen. Haben Sie Einfluss auf diese gesunden negativen Gefühle, wenn etwas in Ihrem Leben schief geht? Ja. Sie können sehr verärgert sein – oder nur wenig. Sie könnten sich auf die Vorteile konzentrieren, die der Verlust einer bereits versprochenen Stellung mit sich bringt (wie etwa die Möglichkeit, eine bessere zu suchen) und sich kaum verärgert fühlen. Oder Sie könnten auf die Person herabschauen, die Ihnen irrtümlicherweise diese Stellung versprochen hat, und glücklich sein, dass Sie „besser“ sind als diese „Laus“.

Sie könnten sich natürlich auch entschließen, Ihr Augenmerk auf die Nachteile der versprochenen Stellung zu richten (z.B. die Unannehmlichkeiten der täglichen Anfahrt) und letztlich ganz froh sein, sie nicht bekommen zu haben. Sie müssten sich vielleicht darum bemühen, nicht traurig oder enttäuscht über den verlorenen Arbeitsplatz zu sein, aber Sie könnten sich in jedem Fall dazu entschließen. Also haben Sie die Wahl, was die natürlichen oder normalen Reaktionen auf den Verlust eines Arbeitsplatzes (oder einer Anleihe oder etwas Ähnlichem) betrifft. In der Regel würden Sie sich nicht bemühen, überhaupt eine Wahl zu treffen, und stattdessen die normalen, gesunden Gefühle von Verärgerung und Enttäuschung akzeptieren. Sie würden mit ihnen leben und sie sich zunutze machen.

Nehmen wir einmal an, dass Sie, wenn Ihnen eine Stellung oder Anleihe unfairerweise entgeht, tief besorgt, deprimiert, erniedrigt oder erzürnt sind. Sie sehen sich unfair behandelt. Sie regen sich sehr darüber auf.

Haben Sie dennoch Einfluss auf diese ausgeprägten Gefühle? Oder aber nicht?

Ja, ganz bestimmt sogar!

Das ist das Hauptthema dieses Buches: Egal, wie Sie sich verhalten, egal, wie unfair andere Sie behandeln, egal, wie elend die Lebensumstände sind – Sie haben praktisch immer (JA, IMMER) die Fähigkeit und die Macht, die eigenen Gefühle von Angst, Verzweiflung und Feindseligkeit zu ändern. Sie können sie nicht nur vermindern, sondern Sie können sie auch aus Ihrem Leben streichen, wenn Sie...