Vom Junkie zum Ironman

von: Jörg Schmitt-Kilian, Andreas Niedrig

Heyne, 2009

ISBN: 9783641017248 , 256 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 8,99 EUR

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Vom Junkie zum Ironman


 

Ausdauer zahlt sich aus (S. 111-113)

»Eine Woge des Glücks durchströmte meinen Körper und ich freute mich auf die Heimreise!«

Im Zug von Dortmund nach Oer-Erkenschwick liefen mir Freudentränen übers Gesicht. Drogenfrei kehrte der verlorene Sohn, Mann und Vater nach Hause zurück. Ich war glücklich. Noch hatte ich keine Vorstellung, wie ich meine Zukunft gestalten würde. Ich hatte keinen vernünftigen Schulabschluss und keine abgeschlossene Ausbildung, hoffte aber, dass die Therapie mir das nötige Rüstzeug für ein suchtfreies Leben auf den Weg gegeben hatte. Und das Wichtigste: Ich glaubte wieder an mich und meine Stärken.

Während der Bahnfahrt rauschten die vergangenen 13 Monate in der Holthauser Mühle noch einmal an mir vorbei. Mein größtes Problem, mit mir selbst klarzukommen, meine schwierige Persönlichkeit zu ertragen, schien gelöst. Meine Psychotherapeutin hatte zu diesem Erfolg wesentlich beigetragen, und in der Arbeitstherapie hatte ich gelernt, dass ich Sachen schaffen kann, die ich nie für möglich gehalten hätte. Die Gespräche mit meiner Therapeutin waren dennoch sehr belastend gewesen und deshalb hatte ich mich in der Arbeit bei meinen Holzwürmern und der Hauswirtschafterin Marianne am wohlsten gefühlt.

Diese Nichtstudierten standen irgendwie mitten im Leben, vermittelten mir mehr praktische Erfahrungen als die Studierten. Die Akademiker hatte ich etwas abgehoben und mehr oder weniger losgelöst von der Erde erlebt. Mit dieser Bewertung möchte ich den Erfolg der Psychotherapeuten allerdings nicht schmälern. Der Kontakt zu allen Bezugspersonen in der Fachklinik war sicherlich wichtig für meine Genesung und für den Langzeiterfolg meiner Therapie. Es war unbeschreiblich, als Sabine mit Jana auf dem Arm die Tür öffnete. Ich erinnere mich noch genau, wie fremd ich mich in diesem Moment fühlte.

Ich ging zurück in eine Welt, aus der ich mich einmal selbst herauskatapultiert hatte. Eine Welt, in der meine Frau und mein Kind die letzten Monate ohne mich hatten auskommen müssen. Und nun trat ich über die Schwelle in ein besseres Leben – wie ein Spätheimkehrer nach dem Krieg. Ich spürte, dass Sabine und Jana sich freuten, aber ich spürte auch ihre Angst, ich könnte sie erneut enttäuschen. Ich vermied es anfangs, in die Stadt zu gehen, in der alles begonnen hatte. Die guten Ratschläge dröhnten in meinem Kopf: »Du wirst wieder rückfällig, wenn du in die alte Umgebung zurückkehrst!«

Die Rückfallquote soll bei fast neunzig Prozent liegen, und ich hatte Angst, rückfällig zu werden. Ich wollte auch gar nicht mehr an meine Vergangenheit erinnert werden, also suchten wir eine Wohnung im Sauerland. Aber die Suche gestaltete sich schwierig und so mussten wir in unseren alten vier Wänden bleiben. Ich sagte mir: »Du hast dich entschlossen, drogenfrei zu leben. Dann ist es egal, wo du wohnst. Drogenabhängige gibt es überall, auch im kleinsten Dorf im Sauerland.« losgelöst von der Erde erlebt. Mit dieser Bewertung möchte ich den Erfolg der Psychotherapeuten allerdings nicht schmälern.

Der Kontakt zu allen Bezugspersonen in der Fachklinik war sicherlich wichtig für meine Genesung und für den Langzeiterfolg meiner Therapie. Es war unbeschreiblich, als Sabine mit Jana auf dem Arm die Tür öffnete. Ich erinnere mich noch genau, wie fremd ich mich in diesem Moment fühlte. Ich ging zurück in eine Welt, aus der ich mich einmal selbst herauskatapultiert hatte. Eine Welt, in der meine Frau und mein Kind die letzten Monate ohne mich hatten auskommen müssen.