Altherrenjagd - Der »Sanktus« muss ermitteln

von: Andreas Schröfl

Gmeiner-Verlag, 2016

ISBN: 9783839251027 , 312 Seiten

6. Auflage

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 10,99 EUR

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Altherrenjagd - Der »Sanktus« muss ermitteln


 

Sonntag


Na bravo! Wunderbar, wunderbar, ganz wunderbar! »Sehr lieb, danke!«, würde der Wiener sagen. Ein Besuch. Nein, nicht nur ein Besuch, sondern der Besuch der Woche anstehend. Der Besuch, vor dem es dem Sanktus nun schon seit Tagen gegraust hat. Der sonntägliche Besuch bei den Englers, also der Familie Dr. Engler, sprich beim Drengler, wie ihn der Sanktus nur genannt hat! Die Familie war ja ganz in Ordnung, aber er, der Drengler – verheerend! Abnormal! Unsympathisch! Besserwisserisch! Einfach unmöglich. Er ist halt einfach ein mords Trum Schnösel gewesen, der Drengler. Und Schnösel für den Sanktus, falls du den Sanktus schon kennst, weißt du, rotes Tuch Scheißdreck dagegen.

Aber leider ist’s halt heute soweit gewesen. Endgültig. Nicht dass du glaubst, der Sanktus hätte nicht versucht, sich zu drücken. Ganz im Gegenteil. Er hatte schon eine Migräne, eine Erkältung und sogar einen Muskelfaserriss vorgetäuscht. Von Sonderschichten im Ausschank des Biergartens der Münchner Sternbrauerei, wo der Sanktus zurzeit als Schankkellner gearbeitet hat, ganz zu schweigen. Aber heute war D-Day. Klassisches ›PG‹, also Pech ghabt.

Die Kathi, Sanktus’ Lebensgefährtin, war unerbittlich. Heute hat es definitiv sein müssen. Um drei Uhr zum Kaffee waren sie eingeladen. Zum Kaffee! Der Sanktus wenn nur an Kaffee und Kuchen gedacht hat, hat er schon Sodbrennen gekriegt. »Oh Herr Sanktjohanser, das ist nicht nur ein Kaffee, das ist ein Fair Trade! Direkt aus Äthiopien. Ganz feine Bohne. Doppelt geröstet. Der wird unserem Gaumen munden!«, hat der Drengler beim letzten Mal zum Besten gegeben. War ja klar, dass dort nicht einfach die Jacobs Krönung ausgeschenkt worden ist.

»Ich trink ja lieber den vietnamesischen«, hat der Sanktus gekontert, »den, den die Katzen schon mal gefressen und dann wieder gekackt haben. Der ist schon vorverdaut. Magenschonend, wissen S’, Herr … äh … Dings.«

Den Tritt, den er von der Kathi unter dem Tisch bekommen hatte, hat er lange gespürt, und die Kathi hat nach dem Nachmittag genauso lange nicht mehr mit ihm geredet.

Die Kathi war nämlich mit der Frau Engler, der Ulli, auf du und du, da die Martina und die Engler Betty-Lou – allein schon Betty-Lou musst du dir mal geben – in der gleichen Klasse waren.

Der Sanktus hat nun schon fast vier Jahre mit der Kathi und ihrer Tochter, der Martina, im Münchner Stadtteil Haidhausen, genauer am Johannisplatz, zusammengelebt. Er hatte die Kathi schon seit seiner Lehre zum Brauer und Mälzer in der Sternbrauerei gekannt. Verliebt hatten sie sich jedoch erst während der unschönen Vorkommnisse in der Brauerei vor ein paar Jahren.

Die Martina war damals bereits vier. Das Mädchen inzwischen wie seine eigene Tochter, und der Sanktus sozusagen stolzer Papa.

Doch manchmal konnten einen auch seine Liebsten zur Weißglut bringen. Und das war heute der Fall.

Der Sanktus ist in voller Montur, also Jeans, Turnschuhe, Hemd und Sonnenbrille, im Flur der Altbauwohnung gestanden und hat vor Hitze geschmachtet. Schweißausbruch Anfänger dagegen. Kannst du dir hoffentlich vorstellen. Die Martina hat zum gefühlten 27. Mal ihrer Mutter geschrien. Zuerst war sie am Klo, dann hat sie was vergessen gehabt, dann wollte sie noch so ein lilafarbenes vogelwildes Plastikpony mitnehmen, danach noch Durst und so weiter und so weiter. Der Sanktus schon knapp vor dem Zerlaufen und kurz vor der Kapitulation.

Die Kathi ist ständig von einem Zimmer zum anderen gelaufen, und dem Sanktus war eigentlich nicht klar, was sie gemacht hat. Ist nicht in seinen Männerschädel reingegangen. Blockade praktisch. Er hat ihr bloß immer hinterhergeschaut und ist sich vorgekommen wie einer, der an einer Schnellstraße die vorüberfahrenden Autos verfolgt. Kurz, nachdem der Sanktus fast geglaubt hatte, dass sie nun alle fertig zum Abmarsch wären, hat er ein Summen ausmachen können. Die Kathi hat sich und die Martina noch geföhnt. Verstehst du jetzt nicht? Ganz einfach. Die Haare einer Frau müssen nach dem Duschen anscheinend erst ein bisserl trocknen, bevor man sie föhnen kann. Die Männerhaare sind da offensichtlich genetisch gesehen anders. Die kannst du föhnen, wann du willst, oder man glaubt’s kaum, gell, gar nicht föhnen. Bei Frauen aber anscheinend unmöglich. Dem Sanktus ist nur noch ein leises »Zefix!« ausgekommen und er hat sich in der Küche ein kühles dunkles Weißbier eingeschenkt und mit Genuss getrunken. Die Kathi ist nach einiger Zeit in die Küche gekommen und hat den Sanktus gefragt, ob er nun so weit wäre. Der Sanktus hat seine Sonnenbrille zurecht geschoben und gemeint, dass er auch gleich mit dem Föhnen fertig sei, hat das Weißbier in einem Zug geleert und gerülpst. Aggression sofort wieder weg. Den strafenden Blick und das Kopfschütteln der Kathi brauch ich dir jetzt wahrscheinlich nicht beschreiben.

»Hier wohnen die Englers! Ulrike, Betty-Lou und Jens! Bei guter Laune bitte klingeln!«, ist auf dem Türschild gestanden.

Gute Laune, von wegen. Klingelt dir wahrscheinlich niemand in diesem Leben. Wer kann schon gute Laune haben, wenn er den Drengler besucht? Und während der Sanktus darüber nachgedacht hat, wie er jetzt der Kathi erklären hat können, dass er ja jetzt da gar nicht läuten darf, geschweige denn kann, ist die Tür schon aufgegangen, und der Drengler wie aus dem Ei gepellt vor dem Sanktus.

»Hallihallo meine Lieben« – STOPP – meine Lieben – der Sanktus hat alles sein wollen, aber sicherlich nicht »sein Lieber«! Gänsehaut und kalt den Buckel Runterlaufen jetzt gar nichts dagegen! Unverschämtheit!

»Servus«, hat der Sanktus gerade noch rausgebracht und mit Abscheu beobachtet, wie der Drengler der Kathi zum Begrüßen zwei Bussis gegeben hat. Also keine richtigen Bussis, eher solche »Bisou, bisou!« Backenvorbeischmatzer, also so angedeutete Küsse. He, wenn man jemandem kein Bussi geben will, tut man’s nicht, oder? Da braucht man doch nicht so Möchtegernrituale. Neumodischer Schmarrn, neumodischer! Aggression jetzt wieder da!

»Mir bitte kein Bussi«, hat der Sanktus erklärt und gleich abgewinkt. »Ich bin erkältet. Da würden Sie sich nur anstecken.«

Der Drengler hat kurz laut aufgelacht und den Kopf geschüttelt.

»Immer zu Scherzen aufgelegt. So mag ich das. Ach Herr Sanktjohanser, Sie haben so ein sonniges Gemüt. Das ist beneidenswert. Immer gut drauf.« Dabei hat er so einen Schwung mit dem Arm gemacht, als wenn du sagen würdest »Jawohl, sauber!« oder »Weiter so«. Dann hat er noch so mit den Füßen gewippt, so kurz auf die Zehenspitzen und gegrinst, dass es dem Sanktus gleich wieder schlecht geworden ist. Sonniges Gemüt? Ja, schon. Aber sicherlich nicht hier beim Drengler-Gscheithaferl. Sanktus jetzt Blick auf seine Kleidung. So ein rosa Poloshirt mit einem Golfaufdruck hat er angehabt und den Kragen hinten aufgestellt, dazu Designer-Jeans und Segeltuch-Turnschuhe – also Schnösel-Komplett-Uniform.

»So, nun kommt doch mal rein. Die Mädels sind im Esszimmer und bereiten schon mal alles vor. Wir haben Buttercremetorte bei Käfer geholt. Ah, exquisit. Ich sag Ihnen, die ist so lecker …«

Lecker! Da war es wieder, das Unwort des Jahrhunderts. Der Sanktus jetzt im Stadium des kompletten Abblockens. Jetzt hätte er vergoldet sein können, der Drengler, dem Sanktus wär das, auf Bayerisch gesagt, wurscht gewesen. Bussi, lecker und Golfshirt. Was hat jetzt noch alles kommen sollen?

So, jetzt erst mal rein in das Esszimmer. Die Martina ist gleich mit der Betty ins Kinderzimmer, und die Ulli hat den Sanktus auch mit zwei so Vorbeibusserln begrüßt. Der Sanktus hat sofort auf ihre Füße schauen müssen. Weil der Sanktus ist auf schöne Frauenfüße gestanden, musst du wissen. Die Kathi hat für ihn die schönsten der Welt gehabt. Die von der Ulli, und die Ulli bei den heißen Temperaturen natürlich barfuß, haben es ihm kalt den Rücken runterlaufen lassen. Hammerzehen mit unförmigen, kleinen extrem rot lackierten Nägeln. Sonst war sie eigentlich hübsch, die Ulli, aber die Füße … Die Kathi, die seinem Blick gefolgt war, hat gegrinst, ihn angetippt und ihm einen kurzen Kuss auf die Backe gedrückt und geflüstert: »Sind meine schöner, gell.« Sanktus Kopfnicken und verlegenes Wegschauen.

Anschließend hat’s den unvermeidlichen Hugo gegeben, natürlich aus Bio-Qualitätsprosecco direkt aus der Toskana, Holundersirup aus dem Reformhaus und Minzblättern frisch vom Haidhausener Panoramabalkon, wahrscheinlich vom Drengler mit einer Goldsichel aus Rajastan selbst geerntet.

»Also dann. Herzlich willkommen! Stößchen!«, hat Drengler geflötet, und der Sanktus jetzt am Überlegen, wie er es vermeiden hat können, bei »Stößchen« nicht aus der Haut zu fahren. Die Damen sind nun in die Küche und haben Kaffee gekocht, und der Drengler hat den Sanktus zu allem Überfluss auf den Balkon zum kleinen Männergespräch hinaus gezogen.

»Ein herrliches Panorama, nicht? München pur!«, hat der Drengler angefangen. Der Ausblick über den Gasteig, die Isar und die zentrale Münchner Innenstadt war wirklich genial. Postkarte gar nichts dagegen. Der Sanktus hat sofort einen Neid verspüren können und hat bezweifelt, dass dieser ›Zuagroaste‹, also Zugereiste so was überhaupt hat besitzen dürfen.

»Diesen Ausblick haben wir gesehen und uns sofort verliebt. Da mussten wir diese Wohnung haben. Schauen Sie nur, der Englische Garten, das Deutsche Museum, Sankt Peter, der Liebfrauendom …«

»Frauenkirche!«, hat der Sanktus...