Wer nicht wagt, der liebt nicht - Dare 1 - Roman

von: Carly Phillips

Heyne, 2015

ISBN: 9783641153977 , 336 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 8,99 EUR

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Wer nicht wagt, der liebt nicht - Dare 1 - Roman


 

1

Einmal im Jahr versammelten sich alle Dare-Geschwister im Ballsaal des Club Meridian, um den Geburtstag ihres Vaters zu feiern, der allerdings bei einigen von ihnen recht unbeliebt war. Ian Dare führte sein Glas an die Lippen, nippte an seinem Glenlivet und genoss die Wärme, die sich in seinem Körper ausbreitete, sobald der edle Scotch durch seine Kehle floss. Um sich so richtig zu entspannen, würde er wohl noch einen weiteren benötigen.

»Hi, großer Bruder.« Seine Schwester Olivia trat zu ihm und knuffte ihn in die Rippen.

»Pass auf, mein Glas.« Er legte ihr den freien Arm um die Schultern und drückte sie an sich. »Hi, Olivia.«

Sie umarmte ihn ebenfalls und gab ihm einen raschen Kuss auf die Wange. »Schön, dass du gekommen bist.«

Er zuckte die Achseln. »Ich bin bloß wegen dir und Avery hier. Wobei ich nach wie vor nicht verstehe, wie ihr zwei ihm einfach verzeihen konn…«

»Na, na.« Sie hob warnend den Zeigefinger. »Nicht hier. Wenn ich zu diesem Anlass schon so aufgetakelt rumlaufen muss, dann wirst du dich gefälligst auch zivilisiert benehmen.«

Ian trat einen Schritt zurück und betrachtete seine vierundzwanzig Jahre alte Schwester. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie ein goldenes Abendkleid trug und sich das dunkle Haar zu einem schicken Knoten hochgesteckt hatte. Kaum zu glauben, dass das die kleine Nervensäge war, die ihm und seinen Freunden früher, wenn sie Baseball gespielt hatten, so lange mit ihrem »Ich will mitspielen«-Gequengel in den Ohren gelegen hatte, bis sie sich hatten erweichen lassen.

»Schick, schick«, sagte er anerkennend.

Sie grinste. »Das musst du jetzt natürlich sagen.«

»Muss ich gar nicht. Und ich mein’s ernst. So, wie du aussiehst, werde ich dir die Kerle wohl mit einem Baseballschläger vom Leib halten müssen.« Allein die Vorstellung ließ sein Stimmungsbarometer gleich wieder in den Keller sinken.

»Untersteh dich, sonst sage ich deiner Haushälterin, sie soll deine Zahnbürste zum Kloputzen verwenden. Wie gesagt, wenn ich mich schon so in Schale werfe, will ich auch was davon haben, und dazu gehört unter anderem, dass ich flachgelegt werde.«

»Ich tu jetzt einfach mal so, als hätte ich das nicht gehört«, brummte er und nahm erneut einen Schluck von seinem Scotch.

»Hey, du hast nicht nur versprochen, heute Abend zu kommen, sondern auch, dass du dich zusammenreißen wirst.«

Ian verzog das Gesicht. »Du kannst nicht ernsthaft von mir verlangen, dass ich ein gutes Benehmen an den Tag lege, wenn er mal wieder den großen Zampano spielt.« Er deutete mit dem Kopf zu Robert Dare, der in einer Ecke des Saales Hof hielt.

Neben dem Geburtstagskind saßen seine zweite Frau Savannah Dare, mit der er seit neun Jahren verheiratet war, sowie ihre gemeinsame Tochter Sienna und ein ganzer Haufen ihrer engsten Freunde aus dem Country Club. Siennas Brüder Alex und Jason fehlten noch, würden aber bestimmt auch bald aufkreuzen.

Olivia legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Er liebt sie eben. Und Mom hat inzwischen Frieden mit ihm geschlossen.«

»Na, was blieb ihr auch anderes übrig, nachdem sie von ihr erfahren hatte?«

Als Robert Dare die bedeutend jüngere Savannah Sheppard kennengelernt hatte, war es, seiner eigenen Aussage zufolge, Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie hatte ihm drei Kinder geschenkt, der älteste Sohn war jetzt fünfundzwanzig. Ian selbst war vor Kurzem erst dreißig geworden. Robert Dare hatte jahrelang ein Doppelleben geführt und war in Sachen Fortpflanzung verdammt umtriebig gewesen.

Ian schnaubte verächtlich bei dem Gedanken daran, leerte sein Glas und stellte es auf dem Tablett eines Kellners ab, der eben vorbeikam. »So, ich habe ihm meine Aufwartung gemacht, und jetzt verdrücke ich mich.« Er wandte sich zum Gehen.

»Ach komm, bleib doch noch ein bisschen«, beschwor ihn seine Schwester. Ihr Tonfall klang leicht entnervt.

»Wozu? Soll ich dem alten Sack etwa noch ein Geburtstagsständchen singen? Nein, danke. Ich mach mich vom Acker.«

Ehe Olivia noch etwas einwenden konnte, betrat ihr Halbbruder Alex den Ballsaal, und beim Anblick seiner Begleiterin, einer umwerfend attraktiven Frau in einem roten Kleid, beschloss Ian spontan, seinen Aufbruch doch noch ein bisschen zu verschieben.

Wegen ihr.

Tja, es gab eben Menschen, die hatten das gewisse Etwas, eine Ausstrahlung, von der andere nur träumen konnten. Diese sexy Lady in Red gehörte eindeutig der ersten Kategorie an, und Ian verspürte instinktiv den Drang, sie zu erobern. Sie war zierlich, aber kurvig, und hatte eine lange, schokoladenbraune Mähne, die sich in wilden Locken über ihren Rücken ergoss. Sie hatte so gar nichts gemein mit all den Hungerhaken, mit denen er sich sonst einließ, ohne sie jedoch wirklich an sich heranzulassen. Zu dumm, dass diese Sirene mit seinem Halbbruder gekommen war und sich Ian deshalb von ihr fernhalten musste …

»Ich dachte, du wolltest gehen?«, erkundigte sich Olivia, die noch immer neben ihm stand.

»Äh, ja.« Er sollte wirklich dringend verschwinden, konnte sich dummerweise jedoch nicht vom Anblick dieser Frau losreißen.

»Warte doch noch, bis Scott und Tyler da sind«, schlug Olivia vor. »Dann hast du bestimmt auch deinen Spaß. Bitte«, flehte sie in diesem Tonfall, dem er noch nie hatte widerstehen können.

»Ja, Ian, bitte«, flötete nun auch ihre zweiundzwanzig Jahre alte Schwester Avery, die sich gerade zu ihnen gesellt hatte. Sie sah Olivia sehr ähnlich und wirkte ebenfalls schon sehr erwachsen in ihrem silbernen Kleid, das für Ians Geschmack viel zu tief ausgeschnitten war. Auch bei ihr fiel es ihm schwer, sich mit dem Gedanken abzufinden, dass sie die Blicke anderer Männer auf sich zog.

Ian biss die Zähne zusammen. Es war echt ein Wunder, dass ihn die beiden noch nicht ins Grab gebracht hatten.

»Worum geht’s eigentlich?«, erkundigte sich Avery bei Olivia.

Diese grinste. »Ich habe ihn gebeten, nicht gleich wieder zu gehen. Dass er sich amüsieren soll, ist wohl zu viel verlangt, aber er könnte sich doch zumindest ein bisschen entspannen.«

»Frechdachs«, knurrte er, konnte aber in Anbetracht ihrer Hartnäckigkeit ein Schmunzeln nicht unterdrücken.

Dann spähte er verstohlen zu der Frau in Rot hinüber. Ich kann nicht gehen, und ich kann sie auch nicht ansprechen, dachte er frustriert. Er war ein Mann der Tat, doch im Augenblick konnte er sie lediglich aus der Ferne beobachten.

»Also, was ist jetzt?«, wollte Olivia wissen.

Er setzte ein Lächeln auf und zwang sich, mit seiner Aufmerksamkeit zu seiner Schwester zurückzukehren. »Also gut, ich bleibe noch, weil ihr mich gar so nett darum gebeten habt«, sagte er und musste sich sehr am Riemen reißen, um nicht wie gebannt zu der Frau hinüberzusehen, die nun lachend mit seinem Halbbruder das Tanzbein schwang.

*

Riley Taylor spürte seinen Blick auf sich ruhen, sobald sie am Arm ihres besten Freundes Alex Dare den eleganten Ballsaal betreten hatte. Dabei fand sie es auch so schon schwierig genug, sich in ihren hochhackigen Schuhen einigermaßen anmutig zu bewegen. Zu wissen, dass dieser Unbekannte, den sie geradezu verheerend sexy fand, jede ihrer Bewegungen verfolgte, machte das Unterfangen zu einer richtigen Herausforderung.

Alex hatte nicht das Geringste bemerkt. Als Starquarterback der Tampa Breakers war er im Gegensatz zu Riley daran gewöhnt, angestarrt zu werden. Und außerdem kannte er auf der Geburtstagsfeier seines Vaters natürlich jeden der Anwesenden, während für Riley der Großteil der Gäste Fremde waren.

Ihn hatte sie jedenfalls definitiv noch nie gesehen. In den vergangenen Jahren hatte sie sich vor Robert Dares alljährlicher Geburtstagssause erfolgreich drücken können. Letztes Jahr hatte sie berufliche Verpflichtungen geltend machen können, und im Jahr davor war sie erkältet gewesen. Doch diesmal hatte Alex darauf beharrt, dass sie ihn begleitete, allein schon deshalb, weil sie wegen ihrer beruflichen Probleme seelisch etwas angeschlagen war und Ablenkung gebrauchen konnte.

Während Alex mit seiner Mutter und seinen Schwestern tanzte, ging Riley an die Bar und bat um ein Glas Eiswasser. Sie nahm einen Schluck und beschloss, sich einen Sitzplatz zu suchen, denn sie konnte es kaum erwarten, die unbequemen Stöckelschuhe auszuziehen und ihre müden Beine etwas zu entlasten.

Doch kaum hatte sie sich umgedreht und den ersten Schritt getan, da stieß sie auch schon mit einem gut gebauten Anzugträger zusammen, und ein Gutteil des eiskalten Wassers aus ihrem Glas ergoss sich in ihr Dekolleté und über ihren Busen.

»Huch!«, keuchte sie erschrocken und schwankte gefährlich auf ihren Stilettostöckeln, wurde aber zum Glück von zwei starken, warmen Händen an den Schultern gepackt, sodass sie nicht das Gleichgewicht verlor.

Sie hob den Kopf – und blickte ausgerechnet in das Gesicht des Mannes, den sie vorhin verstohlen beobachtet hatte. »Du!«, hauchte sie leise.

Seine Augen blitzten amüsiert auf. Sie waren stahlgrau, mit einem Stich ins Blaue. »Freut mich zu hören, dass auch du mich bemerkt hast.«

Riley blinzelte und wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, ihn zu betrachten, als dass sie auch nur ein vernünftiges Wort herausgebracht hätte. Er war der reinste Adonis – perfekte Wangenknochen, ein männlich-markantes Kinn, tipptopp gestyltes dunkelbraunes Haar –, und er verströmte eine geradezu...