Ziemlich heiße Jahre - Ein Survival-Guide für Frauen in der Lebensmitte

von: Monika von Ramin

mvg Verlag, 2015

ISBN: 9783864157578 , 224 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 8,99 EUR

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Ziemlich heiße Jahre - Ein Survival-Guide für Frauen in der Lebensmitte


 

2. BLOSS NIE WIEDER JUNG SEIN

Traue keinem über dreißig

Erinnere dich: Wann hast du das erste Mal erkannt, dass du nicht mehr jung bist? Das dürfte schon ziemlich lange her sein. Wahrscheinlich an deinem dreißigsten Geburtstag. Der erste Tag im Leben einer Frau, an dem sie flüchtig das Gefühl bekommt, dass die Zeit schneller vergeht, als ihr lieb ist.

Das hat dich vorübergehend in eine tiefe, ernstzunehmende Lebenskrise gestürzt. Du bist zum Friseur gegangen, hast dir Fingernägel ankleben lassen, dir für ein halbes Monatsgehalt einen viel zu engen Fummel gekauft, dich mit der besten Freundin betrunken, Horoskope gelesen und Bilanz gezogen.

»Traue keinem über dreißig« hieß es in meiner Studentenzeit. Solltest du dir also aufgrund dieses massiven Vertrauensverlustes keinen Strick genommen haben, ist es wahrscheinlich, dass du deinen dreißigsten Geburtstag bereits vier Tage später ohne bleibende Schäden überstanden und vergessen hast.

Dann bist du zu deinem Chef gewandert und hast eine Gehaltserhöhung verlangt. Oder dir einen neuen Job, einen neuen Freund oder ein Kind zugelegt. Zumindest hast du irgendetwas getan, was dich weitergebracht hat. Denn das ist der Vorteil von so schrecklichen Ereignissen wie einem dreißigsten Geburtstag: Sie geben Anstöße, im Leben etwas zu ändern. Du hast also dein Leben in den Griff gekriegt und dich weiterhin jung gefühlt.

Unterbezahlt und unglücklich

Manchmal kann ein einziger Satz ein Leben ändern. So ging es mir. Ich werde nie den Schock vergessen, als ein Kollege meinte, wir stünden ja in der Lebensmitte. Himmel, ich war fünfunddreißig. Geradezu unerträglich jung. Und ehrgeizig. Ich wollte ganz nach oben, erfolgreich sein, ich wollte alles. Eine gute Beziehung, die beste Frau der Branche sein, ich wollte Geld, Macht und Einfluss. Und ich hatte nichts davon.

Ich war dick, hässlich, unterbezahlt und unglücklich. Obwohl es mir sehr viel besser ging als mit fünfundzwanzig. Da war ich auch dick, hässlich, noch unterbezahlter und noch unglücklicher. Der Unterschied war nur, dass ich mir mit fünfundzwanzig keine tollen Klamotten leisten konnte, den Mistkerl, der mich unglücklich machte, geliebt habe und nicht mal im Ansatz wusste, wovon ich im nächsten Monat die Miete bezahlen sollte, geschweige denn, was ich anstellen könnte, um endlich reich zu werden. Dafür habe ich allerdings damals neunzig Stunden die Woche gearbeitet.

Nach dem Gespräch mit meinem Kollegen bin ich nach Hause gegangen und habe mich von meinem Mann getrennt. Mit Sack und Pack bin ich zu einer Freundin gezogen, die mir ihre Wohnung für ein paar Monate zur Verfügung stellen konnte. Dort gab es etwas, was es bei uns zu Hause nicht gab: wandfüllende Spiegel. Und dort lernte ich, dass es nur auf die Betrachtungsweise ankommt.

Knick in der Pupille

Eines Abends, ich lag glücklich Schokolade lutschend im Bett, hatte ich Lust auf ein Glas Orangensaft. Also, raus aus den Federn und ab in die Küche. Und plötzlich stand da eine fremde Frau im Flur. Ich schrie auf. Als sich mein Schreck legte, stellte ich fest, dass ich das war, die fremde Frau. Nackt stand ich vor einem überdimensionalen Spiegel. Und was ich sah, war eine hübsche, schlanke Frau. Das war ich. Kleidergröße sechsunddreißig.

Wenn ich also nicht dick und hässlich war, obwohl mein Mann mich immer Dicke genannt hatte, dann konnte ich auch nicht unglücklich und unterbezahlt sein. Denn erstens hatte ich den Mann verlassen, der mich unglücklich machte, und zweitens hatte der mir immer gesagt, ich sei unterbezahlt. Und so lernte ich an jenem Abend vor dem Spiegel, dass ich schlank, hübsch, glücklich und verdammt erfolgreich war.

Diese Verschiebung des Blickwinkels ist doch immer wieder erstaunlich. Hast du mal zufällig irgendwo ein altes Foto von dir gefunden? Du weißt noch ganz genau, wie du dich an diesem Tag gefühlt hast: Das Kleid hast du noch nie gemocht, du hattest einen Pickel auf der Nase und der Pony war mal wieder total fettig. Kurzum, du hattest deine Tage und fühltest dich abstoßend hässlich. Aber auf dem Foto siehst du toll aus. Das haben wahrscheinlich alle anderen damals schon so gesehen – nur du nicht.

Auch Claudia Schiffer hat Probleme

Erinnere dich an die Verzweiflung, die dich beim Anblick deiner Cellulitis befallen hat. Wann immer du mit einem Mann ins Bett gegangen bist, hast du dich gefragt, warum der überhaupt was von dir will.

Ich kann dir versichern, sogar Claudia Schiffer hat dieses Problem. Denn es gibt immer jemanden, der noch hübscher, noch schlanker, noch knackiger ist als du. Und wenn man jung ist, dann vergleicht man sich immer mit anderen. Dass man dabei schielt, spielt für den Effekt überhaupt keine Rolle.

Okay, wir haben also festgestellt, früher sahst du toll aus, aber du hast dich nicht toll gefühlt. Und heute? An deine Cellulitis hast du dich längst gewöhnt, an deine zu dünnen oder zu krausen Haare, zu dicken oder zu kurzen Beine, den zu kleinen oder zu großen Busen. Du hast dich irgendwann mit dem Unveränderbaren abgefunden. Und das betont, von dem du erkannt hast, dass es das Schöne, das Liebenswerte an dir ist. Na also, älter werden hat doch Vorteile, auch wenn man jetzt vielleicht wirklich eine Brille braucht.

Immer Ärger mit den Kerlen

Erstaunlicherweise waren die Männer hinter dir her, obwohl du dich so hässlich gefühlt hast. Und du? Bist reihenweise auf ihre blöden Sprüche reingefallen. Erinnere dich an die vielen SOS-Anrufe bei deiner besten Freundin. Erst hast du zwei Tage geheult, dann deine Freundin angerufen und dann habt ihr die halbe Nacht geredet. Es kam immer, wie es kommen musste: Am nächsten Tag hattet ihr einen Kater und beim nächsten Mann ging alles wieder von vorne los.

Dann hast du endlich deine große Liebe gefunden. Und mit diesem Mann dein Leben geplant. Das war wirklich toll. Geld hattet ihr nicht, Erfahrung hattet ihr nicht, aber jede Menge Träume. Und er war der Größte. Du hast alles für ihn getan. Geputzt und gebügelt (schließlich wolltest du ihm beweisen, dass du eine brauchbare Frau bist), gekocht (langsam hast du dich von Dosenfutter zu Spaghetti bolognese hochgearbeitet), bist nach der Arbeit noch einkaufen gegangen (klare Frauensache!), um dann nach vollendetem Tagewerk und vollständig versauter Küche todmüde auf die Laken zu sinken. Dort erwartete dich dann das, was du damals für guten Sex gehalten hast. Heute weißt du, was wirklich guter Sex ist, hast vielleicht sogar eine Putzfrau, zauberst viergängige Menüs, ohne die Küche zu verwüsten, und schickst deinen Mann einkaufen. Oder du sitzt gemütlich beim Italiener oder Asiaten und lässt auftischen. Wieso willst du eigentlich wieder jung sein?

Wenn du Pech hattest, hast du mit deiner ersten großen Liebe auch gleich noch Nachwuchs bekommen. Klar liebst du deine Kinder über alles! Aber wenn du nicht zu den exotischen Exemplaren der Gattung ewig glücklich verheirateter Ehefrauen gehörst, bist du wahrscheinlich von dem Vater deiner Kinder längst geschieden. Und hast weiter geputzt, gebügelt, gekocht, bist einkaufen gegangen, hast mit dir selbst Sex gehabt und alle Sorgen, die man so als alleinerziehende Mutter hat. Und noch dazu weniger Geld.

Wenn du Glück hattest, hast du dich von dem Kerl frühzeitig getrennt. Denn spätestens als du erkannt hast, dass er a) nicht der Größte war und b) du viel mehr gearbeitet hast als er, war die Grundlage für eure Beziehung dahin. Natürlich hast du noch ein paar Jahre weitergemacht, denn so schnell trennt man sich ja nicht.

Erinnerst du dich noch an die abendlichen Kämpfe, die Scharmützel, die ihr euch bei Spaghetti bolognese geliefert habt? Du hättest ihn umbringen können. Also bist du nicht nur todmüde in die Kissen gesunken, sondern auch noch unglücklich und heulend und dann hat er natürlich erwartet, dass ihr euch wieder vertragt. Das führte regelmäßig zu Beschwerden, mit denen du deinen Gynäkologen reich gemacht hast.

So oder so, ich hoffe für dich, dass du ihn verlassen hast. Wenn er dich verlassen hat, kannst du dem Schicksal zwar auch dankbar sein, aber der Stachel sitzt natürlich erstmal ziemlich tief.

Heute lebst du entweder mit einem netten Mann zusammen oder bist alleine. Du hast (hoffentlich) deine Illusionen über die männliche Hälfte der Welt begraben und das gesucht, was du wirklich brauchst. Zumindest hat dich diese harte Zeit gelehrt, was du nicht brauchst.

Wenn du dich nach einem harmonischen Abend wohlig in deine Laken kuschelst, denkst du manchmal, wie gut du es doch hast. Ich hoffe jedenfalls, dass du das denkst. Und nicht, ach, ich möchte so gern noch einmal von vorn anfangen, warum finde ich keinen netten Mann, mit dem ich mein Leben teilen kann. Wenn du das denkst, dann erinnere dich doch einfach mal daran, wie schrecklich anstrengend es war.

Das Kompetenzdefizit

Nachdem du ihn zurück zu Mutti geschickt und dieses zum Schluss mehr als unerfreuliche Kapitel deines Lebens abgeschlossen hattest, war endlich Zeit, dich – Volldampf voraus – um deine eigene Karriere zu kümmern. Schließlich warst du begabt, gut ausgebildet und jetzt erst recht voller Elan.

Also hast du dich ins Business-Kostüm gezwängt, deine Walle-walle-Mähne zu einem dezenten Zopf gebunden und bist Richtung Vorstandsetage marschiert. Komisch war nur, dass sie dich trotz deines dezenten Outfits so gar nicht ernst genommen haben. Irgendwie warst du für alles zu jung. Und außerdem eine Frau.

Sobald du in einer Sitzung zaghaft die Stimme erhoben hast, haben dich alle mitleidig angeschaut. Ach Gott, die Kleine, haben sie gedacht. Deine Verbesserungsvorschläge...