John Sinclair 701 - Draculas Blutgemach (2. Teil)

von: Jason Dark

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2015

ISBN: 9783838734316 , 64 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 1,99 EUR

Mehr zum Inhalt

John Sinclair 701 - Draculas Blutgemach (2. Teil)


 

Draculas Blutgemach (2. Teil)


Frantisek Marek, auch der Pfähler genannt, schaute uns an, hob sein Glas und wollte zu einem Trinkspruch ansetzen, als die Tür der Gaststätte aufflog und die Schüsse fielen.

Männer in Uniformen strömten in die Kneipe. Sie feuerten aus Gewehren, aber sie schossen glücklicherweise in die Decke, wo ihre Kugeln faustgroße Löcher rissen und die Putzbrocken in unterschiedlicher Größe auf den Boden prallten.

Suko und ich lagen längst flach. Wir waren von den Stühlen gehechtet, und ich hatte Frantisek Marek noch mitgerissen, der die Welt nicht mehr verstand, bleich neben mir lag und mir vorwurfsvoll ins Gesicht schaute, als trüge ich die Verantwortung für das Chaos …

Wir taten nichts. Sich in dieser Situation zu bewegen, wäre genau das Falsche gewesen.

Außer uns saßen noch eine Hand voll Gäste in der stickigen Kneipe mit der niedrigen Decke und den kleinen Fenstern. Diese Männer hockten auf ihren Plätzen, als wären sie zu Salzsäulen erstarrt.

Die Schüsse verstummten.

Stille breitete sich aus.

Das heftige Atmen der Menschen hörte sich ängstlich an. Im Hintergrund stöhnte jemand auf.

Dann hörten wir laute Schritte. Ich hatte für einen Moment die Uniform der Männer gesehen, wusste aber nicht, ob es sich dabei um Polizisten oder Mitglieder irgendeiner Miliz handelte. Wie dem auch sei, wir waren vom Regen in die Traufe gekommen und hatten uns den Empfang in Plakac, einem kleinen Kaff in den rumänischen Karpaten, bestimmt anders vorgestellt.

Ich lauschte den Echos der harten Stiefeltritte und stellte fest, dass sich die Männer verteilten. Einige näherten sich auch unserem Platz. Ich schielte in die Höhe.

Ein Schatten fiel über mich. Aus dem Schatten löste sich ein anderer, der länger und dünner war, sich mir entgegensenkte und mich schließlich im Rücken berührte.

Den Druck kannte ich gut genug. Es war die Mündung einer Waffe, dessen Besitzer mir unmissverständlich klarmachte, wer hier das Sagen hatte, nämlich er.

Er sprach mich an.

Ich hörte die Worte, verstand sie aber nicht, bekam einen Tritt und fluchte.

Dann sprach Marek. Seine Stimme hörte sich wütend an, er schien die anderen auszuschimpfen und fand sogar den Mut, sich zu erheben, trotz der drohend auf ihn gerichteten Mündungen.

Bisher hatte mir Marek den Blick auf Suko versperrt. Jetzt konnte ich meinen Freund sehen, der nur schief grinste, obwohl es ihm danach nicht zumute war.

Marek und der Polizist stritten sich. Ich verstand zwar kaum ein Wort, doch ihre Stimmlage war aufschlussreich. Auf das Ergebnis war ich mehr als gespannt.

Es dauerte nicht lange, als sich der Pfähler zu uns herabbeugte. »Ihr könnt aufstehen.«

»Wie freundlich von den Kerlen.«

»Und was wollten sie?«, fragte Suko.

»Die drehen im Moment durch. Sie haben zwei ihrer Kollegen verloren, das packen sie nicht.«

»Kein Grund, hier herumzuballern«, sagte ich. An der Tischkante zog ich mich hoch.

Es war noch immer wie im Kino. Da standen die bewaffneten Polizisten an den Wänden, hielten die Gewehre schussbereit, die Finger am Abzug und die Mündungen auf uns gerichtet.

Die anderen Gäste regten sich nicht. Sie glichen Figuren, vereisten Statisten; in ihren Augen schimmerte die Angst. Uniformen übten eben noch immer eine gewisse Macht aus.

Einer hatte das Kommando.

Und der stand genau vor mir.

Ich musste mir ein Grinsen verbeißen, weil der Kerl an mir hochschauen musste, um mein Gesicht sehen zu können. Er war klein, trug einen Kugelbauch vor sich her und hielt sich sehr gerade, damit er größer wirkte. Viel konnte er damit auch nicht erreichen. Sein dunkles Haar hatte er gescheitelt. Das Gesicht war rund, die Wangen glänzten fettig, und ein schmaler Bart bedeckte genau die Mitte der Oberlippe. Wie ein Minifeldherr kam er mir vor, aber einer, der nicht zu unterschätzen war.

Er schnarrte mich an.

»Was sagt er?«, wandte ich mich an Marek.

»Er will alles wissen.«

»Soviel Zeit haben wir nicht. Sag ihm das.«

»Sei vorsichtig, John. Luka ist gefährlich. Der hat irgendwelche Komplexe und ärgert sich über jeden, der größer ist als er.«

»Dann müsste er sich fast nur ärgern.«

Luka schien das Gespräch zwischen Marek und mir nicht zu gefallen. Er trat noch einen weiteren Schritt vor, sodass er mir die Mündung der Pistole gegen den Magen drücken konnte. Ich konnte noch sein scharfes Rasierwasser riechen, das sich mit einem leichten Schweißgeruch vermischte.

Ich nickte. »Ist ja schon gut, Rambo!« , murmelte ich und wandte mich an Marek. »Erklär du ihm, wer wir sind. Und dass er und seine Leute an die Falschen geraten sind. Wir haben mit dem Tod seiner beiden Leute nichts zu tun.«

»Werde ich machen.«

Die beiden unterhielten sich. Nur ihre Stimmen waren zu hören. Die anderen fünf Polizisten hielten sich zurück. Mit schussbereiten Gewehren standen sie an den Wänden und warteten auf eine falsche Bewegung.

Ich bewegte mich auch. Aus der Tasche holte ich eine Zigarettenschachtel und zündete mir ein Stäbchen an. Es wurde missbilligend zur Kenntnis genommen, aber man hinderte mich nicht daran und tat auch nichts, als Suko seinen Platz wechselte und sich kurzerhand auf die Kante eines Tisches setzte.

Ich hatte Zeit, darüber nachzudenken, was uns eigentlich in dieses gottverlassene Kaff getrieben hatte. Es war die Jagd nach Assunga gewesen, dieser gefährlichen Hexe, die lange Zeit in einem feuchten Grab gelegen hatte, doch durch schwarze Magie erweckt worden war und nun nach neuen Chancen suchte. 1

Diese Chance hatte einen Namen: Will Mallmann alias Dracula II.

Die Gründe der Hexe kannten wir nicht, aber sie musste ihm irgendwie ergeben sein, denn sie wollte unbedingt zu ihm. Die Mitglieder der Schattenkirche hatten sie erweckt, und eines dieser Mitglieder hatte ausgepackt und uns die Spur gezeigt, die nach Rumänien führte, wo sich Dracula II angeblich aufhalten sollte.

In Rumänien lebte Frantisek Marek. Ihn hatten wir alarmiert, er sollte die Augen offenhalten, sollte sich danach erkundigen, ob die Hexe Assunga aufgefallen oder ob irgendetwas Außergewöhnliches geschehen war, das in einem Zusammenhang mit der Hexe hätte stehen können.

In der Tat hatte es einen unerklärlichen Vorfall gegeben. Zwei Polizisten waren tot und mit völlig verbrannten Gesichtern in einem Zugabteil aufgefunden worden. Von dem Täter fehlte jede Spur, aber eine Zeugin hatte gesehen, dass kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof eine Person aus dem Zug gesprungen war.

Ob es ein Mann oder eine Frau gewesen war, hatte die Zeugin nicht erkennen können, aber das alles war schon ein Vorfall gewesen, der aus der Reihe tanzte.

Marek hatte auf krummen Wegen und nur dank seiner Beziehungen davon erfahren, in seinem Heimatort Petrila eine Nachricht für uns hinterlassen, wo er zu finden war, und wir waren nach unserer Ankunft in Petrila mit dem Leihwagen sofort weitergefahren, um so schnell wie möglich mit Marek zu sprechen.

Wir hatten ihn in Plakac gefunden. Natürlich waren uns die Polizisten aufgefallen, doch wir hatten ihnen kaum Beachtung geschenkt, sie uns aber, wie wir jetzt hatten feststellen können. Wahrscheinlich zählten sie uns zu den Hauptverdächtigen. Fremde waren in einem Kaff wie diesem hier sowieso schon suspekt.

Die Polizisten brauchten einen Erfolg, der umso größer für sie ausfallen würde, wenn es sich um Ausländer handelte. Aber Zweifel waren angesagt. Marek sprach fast ununterbrochen. Er deutete des Öfteren auf uns, dann auf sich und fuhr Luka auch in die Parade, wenn der wieder zu Gegenargumenten ansetzen wollte.

Die Gäste und der Wirt hatten sich wieder gefangen. Zwar wurden die Leute noch nicht bedient, aber sie hörten zu, und ihre Gesichter zeigten einen Ausdruck, der zwischen Spannung und Neugierde lag.

Als Marek schwieg, sprach ich ihn an. »Was ist nun? Stellt er sich noch immer stur?«

»Leider. Er will Beweise.«

»Welche denn?«

»Dokumente.« Frantisek verdrehte die Augen. »Papier, Unterlagen, was weiß ich.«

»Die haben wir doch«, meinte Suko.

»Und ob.«

Marek wunderte sich. »Was habt ihr denn? Eure Ausweise werden hier nicht zählen.«

»Die meine ich nicht. Sir James hat wieder für alles gesorgt«, erklärte ich lächelnd. »Er ließ seine Beziehungen spielen, und wir erhielten nach unserer Ankunft noch auf dem Flughafen bestimmte Papiere, die ich mir nicht einmal angesehen habe.«

»Trägst du sie denn bei dir?«

»Klar doch.«

»Dann gib sie her!« Der Pfähler lächelte breit. Er freute sich schon darauf, dem Polizeioffizier eins auswischen zu können, redete kurz mit ihm, während ich die Papiere aus der Innentasche meines Jacketts hervorholte.

Sie steckten noch in einem Umschlag. Es wurde still in der Kneipe. Mir stieg der Geruch von Waffenöl in die Nase. Unter der Decke versammelten sich dicke Schmeißfliegen, die auf einmal anfingen zu summen, als wollten sie einen Chor gründen.

Ich reichte Luka den Umschlag.

Als er ihn berührte, starrte er mich zunächst beinahe böse an. Dann zerrte er den Umschlag auf und holte einige beschriebene Blätter hervor, die er durchlas, dabei einige brummige Kommentare abgab, die wir nicht verstanden, Marek aber, der sich daraufhin ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Ich schloss daraus, dass unsere Chancen nicht so schlecht standen.

Luka ließ die Papiere sinken. Seine sonnenbraune Haut war etwas bleich geworden.

Marek nahm ihm die Unterlagen aus der Hand, er...