Hillarys Blut - Thriller

von: Claudia Rossbacher

Gmeiner-Verlag, 2016

ISBN: 9783734994142 , 316 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 12,99 EUR

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Hillarys Blut - Thriller


 

17. Kapitel


Sonja war nervös. Auf dem Boden ihres begehbaren Kleiderschranks häuften sich die Klamotten. Das rückenfreie kleine Schwarze schien ihr zu elegant, das beige Leinenkleid mit dem schmalen Gürtel zu sportlich. Eine Hose fürs erste Date mit Jeff? Nein, das ging gar nicht. Ihr Outfit sollte sexy sein, aber trotzdem edel wirken. Wie ihre schulterlangen brünetten Locken, die sie apart hochgesteckt hatte, und das dezente Make-up, das ihre braunen Augen zum Strahlen brachte. Ein Rock also. Verdammt! Es war schon 18.30 Uhr. Jeff würde in einer halben Stunde an ihrer Tür klingeln. Und sie hatte nichts anzuziehen. Vielleicht sollte sie Hillary nach einem Kleid fragen, überlegte Sonja kurz. Ihre Freundin war zwar fast zehn Zentimeter kleiner als sie, aber ebenso gertenschlank. Nur Hillarys Brüste waren um einiges größer. Dafür hatte einer der besten Schönheitschirurgen von Los Angeles gesorgt. Nein, es war zu spät, um noch hinüberzugehen. Sonja musste etwas Passendes im eigenen Schrank finden.

Sieben Minuten vor sieben stand sie endlich fertig angezogen im Bad und legte noch etwas Lipgloss auf. Einigermaßen zufrieden blickte sie in den Spiegel. Der hellgraue transparente Tüllrock mit den Strasssteinchen am gleichfarbigen Unterrock endete eine Handbreit über dem Knie. Dazu trug sie ein hauchdünnes schwarzes Top mit Spaghettiträgern, in das silberne Glitzerfäden eingestrickt waren, darüber eine Weste aus demselben leichten Material. Ihre gepflegten Füße steckten in den neuen schwarzen Sandaletten, die mit dünnen Lederbändern an den schmalen Fesseln festgebunden waren. Wirklich bequem fand Sonja die High Heels zwar nicht, dafür aber umso eleganter. Und sexy, weil sie ihre Beine noch länger erscheinen ließen. Zwei Minuten nach sieben stöckelte sie aufgeregt zur Eingangstür, an der es eben geklingelt hatte, bereit, diese zu öffnen.

»Du siehst bezaubernd aus«, meinte Jeff und streckte ihr eine weiße Orchidee entgegen.

Sonja küsste ihn auf beide Wangen. »Die ist ja hübsch. Wie lieb von dir. Komm herein, Jeff. Möchtest du was zu trinken?«, fragte sie und stellte die Orchidee auf der Küchenbar ab.

»Jetzt nicht. Ich muss ja noch fahren.« Jeff sah in seinem lässigen hellen Sommeranzug, unter dem ein schlichtes weißes T-Shirt hervorblitzte, einfach umwerfend aus, fand Sonja. Und er roch unbeschreiblich gut. Sein angenehm sauberer, männlicher Duft war ihr schon bei ihrer ersten Begegnung aufgefallen und hatte sie sofort magisch angezogen. Komisch. Bei Stephan hatte sie nie darauf geachtet. Sie konnte sich gar nicht mehr erinnern, wie er roch, obwohl sie so lange mit ihm zusammen gewesen war.

Jeff fuhr mit Sonja ins Simon’s, ein zauberhaftes Lokal, das terrassenförmig auf einem Hügel über dem Meer lag. Die wenigen Treppen, die vom Strand hinaufführten, waren mit Ölfackeln beleuchtet und endeten bei einem Stehpult, an dem die Empfangsdame sie freundlich begrüßte. »Doktor Geller. Schön, dass Sie uns wieder einmal die Ehre geben. Folgen Sie mir bitte. Ihr Tisch ist schon fertig.«

»Danke, Sharona. Kommst du, Sonja?«

Sharona geleitete das attraktive Paar zu einem der hübsch gedeckten weißen Holztische, in deren Tischplatten bunte gläserne Mosaiksteinchen eingelassen waren. Sie zündete ein Windlicht an und reichte ihnen die Speisekarten. Die beiden saßen direkt neben der Balustrade auf der untersten der drei fensterlosen Terrassen, die alle mit demselben weiß gestrichenen Holz überdacht waren. Auf der Rückseite der obersten Ebene ragten die Pflanzen des angrenzenden Waldes ein Stück weit ins romantisch beleuchtete Restaurant herein.

»Gefällt es dir hier?«, erkundigte sich Jeff.

»Es ist traumhaft. Ich liebe das Geräusch der Brandung.«

»Ich dachte mir schon, dass du das Restaurant mögen wirst. Die Küche ist großartig, das Ambiente völlig ungezwungen. Das Lokal gehört einem Freund von mir, Simon. Genau wie das kleine Hotel oberhalb.«

»Da ist ein Hotel?«

»Es befindet sich direkt über uns am Hügel. Wir sind bloß zu nah dran, um es von hier aus sehen zu können. Es ist ein kleines Schmuckkästchen mit nur acht Bungalows. Sehr exklusiv«, meinte Jeff.

»Was möchten Sie trinken?«, fragte die blonde Kellnerin mit einem entzückenden französischen Akzent.

»Ah, Cathérine. Bonsoir«, grüßte Jeff. »Möchtest du ein Glas Champagner, Sonja?«

»Gerne.« Nicht nur ans Champagner Trinken konnte sich Sonja gut und gerne gewöhnen.

»Moët & Chandon?«, fragte Cathérine.

»Zwei Gläser bitte. Und die Weinkarte«, orderte Jeff und wandte sich wieder an Sonja. »Was hältst du von frischem, heimischem Hummer? Der ist wirklich ausgezeichnet hier. Nicht so zart wie der Maine Lobster, aber trotzdem sehr lecker.«

Sonja dachte unweigerlich an die Szene in Pretty Woman, in der Julia Roberts bei ihrem Date mit Richard Gere mit den Schnecken kämpfte, von denen eine schließlich durch die Luft flog und auf einem fremden Teller landete.

Jeff bemerkte ihren skeptischen Blick. »Keine Sorge. Die Hummer kommen halbiert auf den Teller, und das Fleisch liegt ausgelöst im Panzer. Scheren wie die Maine-Lobster haben die keine. Alles ganz easy.«

»Dann nehme ich gern einen.«

»Reis dazu oder lieber Kartoffel?«

»Am liebsten Salat.«

»Okay. Möchtest du eine Vorspeise?«, fragte Jeff weiter.

»Salat reicht mir.«

»Gut. Ich nehme die Kürbiscremesuppe mit Ingwer«, beschloss Jeff, klappte die Speisekarte zu und die Weinkarte auf, die Cathérine inzwischen gebracht hatte. »Mal sehen. Was hältst du von einem 2002er Napa Valley Fumé Blanc von Mondavi?«

»Wenn er trocken ist …« Sonja kannte sich zwar mit Weinen recht gut aus, doch beschränkte sich ihr Wissen hauptsächlich auf europäische Tropfen.

»Das ist ein trockener Sauvignon Blanc mit einer Nuance von Zitronenmelisse. Passt hervorragend zum Hummer«, erklärte ihr Jeff.

Er gefällt mir immer besser, dachte Sonja, die Amerikaner bisher nur als kulinarische Banausen mit mangelhaften Tischmanieren erlebt hatte. Sie musste endlich mit diesem Klischeedenken aufhören, nahm sie sich vor. »Bestellst du mir bitte auch ein stilles Wasser, Jeff?«, fragte sie lächelnd.

»Selbstverständlich, Schönheit. Alles, was du möchtest.« Jeff sah ihr in die Augen.

Sonja wurde heiß, obwohl sie die abendliche Brise eben noch als angenehm kühl empfunden hatte.

Das Essen und der Wein schmeckten hervorragend. Jeff war wie erwartet charmant und erzählte amüsante Geschichten aus seinem Leben. Vor allem aus jener Zeit, als er von seiner Heimatstadt Philadelphia nach Antigua gezogen war, um hier zu arbeiten.

»Wieso hat es dich ausgerechnet hierher verschlagen?«, wollte Sonja wissen.

»Reiner Zufall. Ich habe vor fünf Jahren Urlaub in Antigua gemacht und den damaligen Klinikchef kennengelernt. Peter Lang, ein netter, fähiger Chirurg aus Köln. Wir hatten viel Spaß miteinander. Irgendwann ließ ich fallen, dass sein Job genau der richtige für mich wäre. Und nachdem er tatsächlich vorhatte nach Deutschland zurückzukehren, hat er mir versprochen, mich als neuen Chefarzt vorzuschlagen. Tja, das tat er dann auch. Ich habe mich offiziell für seinen Posten beworben – et voilà, hier bin ich.«

»Und warum wolltest du aus Philadelphia fort?«

»Die Klinik war nichts mehr für mich. Ich war Oberarzt in der Unfallchirurgie, aber es gab einfach kein Weiterkommen mehr. Die alten Platzhirsche wollten einen jungen Arzt wie mich nicht hochkommen lassen, obwohl ich mir damals den Arsch aufgerissen habe.«

»Verstehe. Das kenne ich gut. Ich dachte immer, es liegt daran, dass ich eine Frau bin. Wenigstens hast du durch diese Ignoranten deinen Traumjob gefunden.«

»Na ja, das Stanton Hospital ist natürlich nicht mit US-amerikanischen oder europäischen Standards zu vergleichen. Aber man lernt zu improvisieren. Und es funktioniert viel besser, als ich dachte. Das Leben hier macht natürlich auch deutlich mehr Spaß. Und wem habe ich zu verdanken, dass du nach Antigua gekommen bist?«

»Dem Internet. Na ja, ich habe mich von meinem Lebensgefährten getrennt und meinen Job als Artdirektorin gekündigt. Es war alles so festgefahren. Ich wollte einfach nur noch weg. Außerdem hatte ich schon lange diesen Traum, einen ganzen Winter ohne Schnee und Kälte in der Karibik zu verbringen. Und ich wollte in Ruhe darüber nachdenken, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen soll. Ich hab die Schnauze voll von der Werbung. Es muss schließlich noch etwas anderes geben, als sich für den angeblich falschen Grünton zu rechtfertigen, nur weil ein ignoranter Kunde nicht versteht, dass dieselbe Farbe auf Zeitungspapier eben ein wenig anders aussieht als auf weißem Hochglanzpapier. Vor allem, nachdem er den Andruck am Originalzeitungspapier freigegeben hat«, meinte sie aufgebracht.

Jeff lächelte amüsiert. »Du kannst ja richtig leidenschaftlich sein«, meinte er. »Erzähl weiter.«

»Entschuldige bitte. Über manches rege ich mich halt noch immer auf.«

»Ich verstehe das schon. Aber warum ausgerechnet Antigua?«

»Zufall. Ich habe im Internet nach Restplätzen gesucht. Zuerst habe ich nur Flüge in die Dominikanische Republik gefunden, doch dort wollte ich nicht hin. Ist bestimmt auch eine schöne Insel, aber für meinen Geschmack viel zu viele Touristen. Schließlich bin ich auf Antigua und Jamaika gestoßen. Und weil mir Jamaika als allein reisende Frau zu gefährlich erschien, habe ich mich für Antigua entschieden.«

»Damit hast du eine gute Wahl getroffen. Die...