Unendlicher Klang - Das Mysterium der Obertöne

von: Michael Reimann

Acron Music Edition, 2014

ISBN: 9783955778064 , 207 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 9,99 EUR

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Unendlicher Klang - Das Mysterium der Obertöne


 

OBERTONGESANG - EIN WEG ZUM HÖRBEWUSSTSEIN


 

Denken wir uns all die technischen Errungenschaften unserer Zeit, wie Flugzeuge, Autos, Radio, Fernsehen, Verstärker, Baumaschinen etc. weg, so erhalten wir die Umwelt, in der zu Mozarts Zeiten (1756-91) der Türmer in Wien noch die Uhrzeit für alle hörbar ausrief. Es gab sogar eine Regelung, wann Wagen mit eisenbeschlagenen Holzrädern durch die Stadt fahren durften, und wann nicht. Schon die Römer klagten über zu viel Lärm.

Aber was wir heute an Geräuschen zu verkraften haben, ist bis jetzt der Höhepunkt, seit Erfindung der Dampfmaschine.

Kein Wunder, das Gehörschäden in zunehmendem Maße zur Volkskrankheit werden. Das Schlimme daran ist: Sie entwickelt sich unmerklich. Und wenn wir feststellen, das wir ein Pfeifen in den Ohren haben (Tinitus) oder hohe Frequenzen nicht mehr so gut hören, dann ist es meistens zu spät.

Warum haben bisher die Hersteller von Kassettengeräten kein Interesse daran, einen Warnpunkt an den Lautstärkeregler anzubringen ?

Patricia Joudry spricht, entgegen der schulmedizinischen Ansicht der Irreperabilität von Gehörverlust, in ihrem Buch "Hören wie Pan" von einem "Umfallen" der Haarzellen, so dass ein Regenerierungsprozess durch Klangtherapie in diesem Fall durchaus möglich wäre.

 

"Kannst du nicht hören?" - "Hör auf damit!" - "Hörst du mir eigentlich zu?"

 

Formulierungen, die ein Zeitalter des Weghörens bestätigen. Beobachten wir ein Kind, wenn es etwas anschaut oder hört, so stellen wir totale Aufmerksamkeit fest. Um dies bei Erwachsenen zu erreichen muss dem ein starker Sinnesreiz vorausgehen.

Stark hängt unsere Aufmerksamkeit mit dem Interesse zusammen, das wir dem jeweiligen Gebiet entgegenbringen.

Beobachten wir uns beispielsweise in einem Konzert, werden wir ein unterschiedliches Reagieren von Geist und Körper wahrnehmen, je nachdem ob wir ein bekanntes Stück in einem erkennenden Prozess des Hörens mit vollziehen, ein uns unbekanntes zum ersten Mal hören oder eine der modernen Kompositionen über uns ergehen lassen.

Elektronik über alles! Synthetische Klänge haben, parallel zur technischen Entwicklung auf allen Gebieten, in unserem Leben Einzug gehalten. Die Kinder spielen heute nicht mehr Klavier sondern Keyboard. Es ist ja auch platzsparender und billiger. Früher oder später wird der Fluch der Technik zur bitteren Erkenntnis: Verloren ist der Bezug zum Naturklang und unsere Verbundenheit mit ihm.

Spätestens bei Stromausfall wird die gute alte Mundharmonika wieder aus der Schublade geholt.

Der Zulauf und das Interesse in allen Bevölkerungsschichten für die verschiedensten Meditationsarten und Gruppen bezeugt eine wachsende Abkehr von der Technik und eine Hinwendung und Sehnsucht nach Selbsterkenntnis. Diese ist eben nicht aus der Steckdose zu bekommen. Man muss eine Auseinandersetzung mit sich Selbst und seiner Umwelt wagen.

Der hörende, wahrnehmende Mensch, wird auch ein wahrhaftiger Mensch sein.

Über das "Hören der Welt" sprach Joachim Ernst Berendt (1922-2000) in seinen Vorträgen und Kursen. Und er erzählte Erstaunliches darüber. Seine Bücher "Nada Brahma" und "Das dritte Ohr" sind schon Pflichtlektüre für alle weltoffenen und interessierten Menschen. Sie künden von der Wichtigkeit eines Sinnes, der heute so strapaziert wird: unser Hörorgan Ohr.

Unser Innenohr, die Chochlea, ist 4 ½ Monate! nach der Empfängnis fertig ausgebildet und wartet auf die Signale der Welt da draußen.[16]

Dr. Alfred Tomatis, ein Hals-Nasen Ohrenspezialist und mutiger Forscher in Sachen vorgeburtlicher Kommunikation, legt in seinem Buch vom "Klang des Lebens" dar, welch wichtige Rolle das Gehör in unserem Leben spielt.

Nicht von ungefähr liegt unsere Gleichgewichtszentrale (Vestibularapparat) im Innenohr. Hängt vielleicht unser seelisches und körperliches Gleichgewicht von dem ab, was wir hören?!

Zurück zur Praxis. An den Hochschulen für Musik gibt es das wichtige, aber völlig falsch bezeichnete, Fach der Gehörbildung. (Das Gehör ist ausgebildet, bevor wir geboren werden (siehe A. Tomatis)!) Leider wird dafür meistens auch noch das Klavier verwendet, so dass die meisten Studenten(innen) in das Raster des temperierten Stimmungssystems gezwängt werden.

Die feineren Ebenen musikalischen Geschehens werden einem dann bewusst, wenn man mit indischen Musikern zusammentrifft. Durch ihr Tonsystem, das die Oktave in zwanzig Haupt- und dreißig !! Nebentöne einteilt, und einer intensiven Lehrer-Schüler-Beziehung, ist es kein Wunder, das sie in ihrem tonalen Differenzierungsvermögen dem unseren weit voraus sind.

Eines erstaunt immer wieder: Warum hören Menschen, die zum ersten Mal Obertöne singen, sie selbst nicht? Ungläubig nehmen sie die Bestätigung der Anwesenden entgegen, dass sie selbst gerade Obertöne gesungen haben.

Fest steht, dass, wenn wir singen oder sprechen, unser Hörvermögen durch die eigenen Körperschwingungen die dabei entstehen, gedämpft wird. Außerdem filtert unser Ohr Innengeräusche des Körpers, so dass wir nicht dauernd Atem, Gelenkbewegungen, Verdauung etc. lautstark vernehmen müssen.

Tomatis sagt dazu: "Das Charakteristikum des Ohres ist nicht, alles zu hören, sondern zu wissen, was es hören muss. Auf diese Selektionsmöglichkeit gründet sich die gesamte Physiologie des Hörens."

Und warum kommt uns unsere eigene Stimme so fremd vor, wenn wir sie auf einer Aufnahme hören?

Der Grund ist die nicht aufgenommene Eigenschwingung, die in unserem Körper verbleibt. Es sind die Resonanzen, die wir beim Sprechen oder Singen hören, wenn wir dabei unsere Ohren zuhalten. Wir hören immer nur die Mischung der Raumakustik und der inneren Resonanzen. Diese identifizieren wir mit „unserer“ Stimme.

Das erklärt auch unseren Schrecken, wenn wir die eigene Stimme vom Tonband hören. Hier hören wir sie so, wie alle anderen Menschen sie vernehmen: von Außen, ohne die eigene Körperschwingung.

Also müßte das Nichtwahrnehmen von gesungenen Obertönen mit einem fehlenden Obertonbewusstsein zusammenhängen. Natürlich auch mit der Stärke, in der sie produziert werden. Von Natur aus sind wir ja nicht dazu prädestiniert, Obertöne aus einem Gesamtklang herauszuhören.

Dies offenbart sich uns auch im menschlichen Hörspektrum: es kann nur Schwingungen von ca. 16 bis 20 000 Hz hören. Und das ist gut so. Sonst würden wir es in dem Gewirr der existierenden Schwingungen um uns herum nicht aushalten.

Eines steht fest: In der Weise, wie wir den Obertongesang üben, indem wir in den Klang hinein hören, erhöht sich unsere Sensibilität im Umgang mit akustischen Phänomenen.

Schauen wir uns die Tabelle der Schwingungen dieser Welt an, so wird klar, dass der Mensch nur einen kleinen Ausschnitt der existierenden Phänomene dieses Universums mit seinen Sinnen erfassen kann. Für den Rest ist der Geist zuständig.

 

Abb. 5 Tabelle von Schwingungen [17]

 

 

ÜBUNGEN ZUM BEWUSSTEN WAHRNEHMEN


 

Nun möchte ich ein paar Hörbewusstseinsübungen aus eigener Erfahrung beschreiben, die dir eine Bereicherung des Hörerlebens ermöglichen sollen.

 

1. Gerade da, wo du dich zur Zeit befindest: schließe die Augen und achte auf alle Geräusche und Klänge, die dein Ohr erreichen. Löse deine wahrgenommene Körperverspannung und lass deinen Atem ruhig fließen. Wandere dann mit deiner Aufmerksamkeit von einem Klang zum anderen. Schließe nichts aus. Tauche dann in den Gesamtsound und nimm die Einheit wahr.*

2. Schalte deinen Haartrockner ein ( oder den Rasierapparat ) und lausche in das Spektrum der Schwingungen. Möglicherweise wirst du mehr Obertöne hören, als in deiner Stimme. Beim Rasierapparat, den du an die Wangen hältst wirst du beim Öffnen und Schließen des Mundes verschiedene Obertöne wahrnehmen.

3. Nimm eine Klangschale oder einen Gong zur Hand (eine Salatschüssel geht zur Not auch); alles, was länger klingt. Bring sie zum Schwingen und Tönen. Höre in den Klang hinein. Versuche, die verschiedenen Klangfarben wahrzunehmen.

4. Höre in der Stille der Abenddämmerung dem Gesang einer Amsel zu. Versuche in ihrem Gesang wiederkehrende Tonfolgen zu entdecken. Unsere Hausamsel sang exakt eine Folge der Arie der Königin der Nacht, aus Mozarts Zauberflöte.

5. Versuche bei obertonreichen Instrumenten, mit deinem Bewusstsein auf ganz bestimmten Obertönen im Klang zu verweilen, um dann später von einem zum anderen zu "springen".

6. Spiele auf dem Klavier einen Ton, ungefähr in der Mitte der Tastatur, und halte ihn bis er ausgeklungen ist. Höre in seine...