Mr Undateable

von: Laurelin McGee

LYX, 2018

ISBN: 9783736304086 , 362 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 9,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Mr Undateable


 

1


Private Assistenz, ab sofort (Bostoner Gegend)

Ich bin ein erfolgreicher Unternehmer und habe die Absicht zu heiraten. Da mir mein Beruf keine Zeit lässt und ich für die Suche nach einer passenden Ehefrau wenig Interesse oder Begeisterung aufzubringen vermag, möchte ich die Angelegenheit outsourcen und für das gesamte Procedere ab sofort eine Assistentin engagieren.

Die ideale Kandidatin es kommen ausschließlich Frauen infrage sollte durchsetzungsfähig sein, über exzellente Computerkenntnisse verfügen und ein Talent dafür haben, andere Menschen einzuschätzen.

Ihre Aufgaben:

  • Mich kennenlernen: Etwa eine Woche verbringen Sie in meiner Gesellschaft, um sich mit meinen Interessen und Vorlieben vertraut zu machen. Sie entwickeln eine genaue Vorstellung von dem Typ Frau, in den ich mich zu verlieben gedenke.
  • Sämtliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Suche – online, persönlich, in sozialen Medien, Netzwerken usw.
  • Zu potenziellen Kandidatinnen besorgen Sie mir aussagekräftige Fotos und arrangieren gegebenenfalls Verabredungen.

Ich bin attraktiv und vermögend, und es bereitet mir keinerlei Schwierigkeiten, interessierte Frauen kennenzulernen. Die Herausforderung besteht darin, Frauen zu finden, die mich über die körperliche Anziehung hinaus fesseln können.

Die Arbeit kann zu weiten Teilen von zu Hause aus erledigt werden. Ich würde es allerdings vorziehen, wenn Sie mehrere Stunden pro Woche in meiner Gesellschaft verbrächten, um ein sicheres Gespür dafür zu bekommen, was ich mir von einer romantischen Beziehung verspreche. Sowohl in meinem Haus als auch im Büro wird Ihnen daher ein persönlicher Arbeitsbereich zur Verfügung stehen.

Das Anfangsgehalt richtet sich nach der relevanten Berufserfahrung. Zusätzliche Boni werden sowohl von der Qualität der Frauen abhängen, die mir für Verabredungen präsentiert werden, als auch davon, wie weit die Beziehung(en) voranschreiten sowohl auf körperlicher als auch auf emotionaler Ebene. Spezielle Zahlungsmodalitäten können im Laufe des Bewerbungsgesprächs verhandelt werden.

Ausschließlich ernstgemeinte Zuschriften.

Andrea Dawson musste die Anzeige dreimal lesen, bis sie begriffen hatte, was Lacy ihr da vorschlug. »Nie im Leben!«

Lacy setzte ihren besten Hundewelpenblick auf – der, mit dem sie sich immer um Strafzettel herummogelte. »Ach komm schon, das ist doch total dein Ding.«

»Nein, ist es nicht!« Um Himmels willen, das will ich doch nicht hoffen … »Unter welcher Rubrik steht das überhaupt?« Andy suchte oben auf der Seite nach einer Überschrift. »Marketing? Das soll wohl ein Scherz sein. Da halte ich mich doch lieber an Verwaltungsjobs.«

»Na klar, damit bist du ja bis jetzt auch so gut gefahren.« Lacys Stimme hatte einen sarkastischen Unterton.

Andy unterdrückte einen Seufzer. Zugegeben, ihre Jobsuche war bislang erfolglos gewesen, aber so weit, sich als Kupplerin zu verdingen, war sie noch lange nicht. Hätte sie doch nur ihren Abschluss gemacht, dann wäre alles viel einfacher. Oder wenn sie es irgendwie geschafft hätte, bei ihrem letzten Job Referenzen zu bekommen.

Aber das war Schnee von gestern. Sie musste nach vorne blicken. »Ich finde schon noch was, irgendwann.« Hoffentlich. Sie schob das iPad von sich weg. »Aber darum bewerbe ich mich nicht. Trotzdem, danke.«

»Warum denn nicht?«

Sie sah auf. Lacys Unterkiefer hatte sich unmerklich nach vorne geschoben. O-oh. Diesen entschlossenen Gesichtsausdruck kannte sie bei ihrer jüngeren Schwester nur zu gut.

Aber auch Andy konnte ein Dickkopf sein. »Weil dieses ganze Gerede von privater Assistenz nur eine verschwurbelte Umschreibung für Zuhälterin ist – das ist dir doch klar, oder? Ich bin zwar gerade echt am Boden, aber ich habe doch wohl mehr drauf.«

»Klar hast du das.« Lacy richtete sich in ihrem Lehnstuhl auf. »Aber du brauchst einen Job.«

»Ich arbeite doch dran.« Energisch strich sie sich das kastanienbraune Haar aus dem Nacken. Es war schon schlimm genug, dass sie auf Kosten ihrer kleinen Schwester lebte. Diese Predigt brauchte sie nicht auch noch.

»Nein, ich meine wirklich, ganz dringend.«

Lacys ernster Tonfall ließ Andy aufmerken. Verdammt. Der Blick ihrer Schwester war nicht nur entschlossen – er war verzweifelt.

Lacy holte tief Luft. »Sie haben mir die Stunden im Studio gekürzt.«

Andys Magen zog sich zusammen. »Oh nein, Lacy! Wann denn?« Als Sängerin und Songschreiberin, die noch am Anfang ihrer Karriere stand, hatte Lacy sich glücklich schätzen können, einen Job im Aufnahmestudio bekommen zu haben, der ihr zwischen den Gigs ein verlässliches Einkommen bescherte.

»Es kommt einfach nicht genug Arbeit rein. Vor zwei Wochen hat Darrin mir Stunden gestrichen.«

Vor zwei Wochen? Und kein Wort bisher? »Warum hast du nichts gesagt?«

»Keine Ahnung.« Lacy hielt den Blick auf ihre Hände gerichtet. Sie hatte noch nie gerne über ihre Gefühle gesprochen, wie Andy wusste. Sie konnte höchstens darüber singen. »Du warst so schlecht drauf, da wollte ich es nicht noch schlimmer machen.«

»Soll das ein Witz sein? Du bist der einzige Grund, weswegen ich mich noch nicht vor einen Bus geschmissen habe.« Kaum hatte sie den Satz ausgesprochen, bereute Andy ihn auch schon. Ihrer Schwester gegenüber, deren Freund sich erst vor einem Jahr mit einer Handvoll Pillen das Leben genommen hatte, war das ein geschmackloser Scherz. Aber die Worte waren heraus.

»Sag so was nicht.« Die Reaktion war gnädiger, als Andy es verdient hatte.

»Entschuldige, ich führe mich auf wie eine Drama-Queen. Aber ernsthaft, Lacy, in dieser ganzen Zeit warst du mein einziger Halt, und ich fühle mich total mies, weil du diejenige bist, die sich um mich sorgt, wo ich mich doch eigentlich um dich kümmern sollte.«

Als Andy plötzlich mittel- und obdachlos dagestanden hatte, hatte sie das gegenüber ihrer Schwester zunächst gar nicht zugeben wollen. Doch sie hatte kaum eine Wahl gehabt, und außerdem war ihr klargeworden, dass sie Lacy vielleicht helfen konnte, mit Lance’ Tod fertigzuwerden, wenn sie bei ihr einzog. Nicht, dass sie eine echte Hilfe gewesen war. Aber immerhin war sie da gewesen. Das war besser als nichts.

»Um mich muss sich niemand kümmern.« Die so auf Unabhängigkeit bedachte Lacy behauptete hartnäckig, dass es ihr gut ging, und schien zu denken, die Leute würden ihr das abkaufen. Vielleicht glaubten ihr die meisten Menschen sogar. Andy nicht.

Doch wenn ihre Schwester darauf bestand, würde sie nicht widersprechen. »Mir ist schon klar, dass du niemanden brauchst. Aber eigentlich sollte ich die Ältere, Verantwortungsbewusstere sein, die ihr Leben auf die Reihe kriegt, und du die unangepasste Musikerin. Und jetzt fresse ich dir schon seit acht Monaten die Haare vom Kopf.«

»Neun«, korrigierte Lacy sie. »Aber ist ja auch egal.«

Langsam begann Andy, den Ernst der Lage zu begreifen. Was für ein Schlamassel. Wenn Lacys Arbeitszeit gekürzt worden war, musste sie wirklich unbedingt einen Job finden, besser gestern als heute. Sie machte ein reumütiges Gesicht. »Mein Gott, ich bin eine schreckliche Schwester.«

Lacy boxte sie gegen die Schulter, ein bisschen zu fest, als dass es noch als spielerischer Knuff hätte durchgehen können. »Hör schon auf! Genau deswegen habe ich dir nichts gesagt. Ich wusste, dass du das zum Anlass nehmen würdest, dir Asche aufs Haupt zu streuen. Das kann ich nicht gebrauchen.«

Wow, der Rollentausch zwischen älterer und jüngerer Schwester war umfassender, als Andy bewusst gewesen war. Sie begann, mit den Fingern auf dem Tisch zu trommeln, um sich irgendwie abzureagieren, während sie angestrengt nachdachte. Alle ihre Ersparnisse waren aufgebraucht. Sie hatte sie in dem sinnlosen Versuch verbraten, ihren früheren Arbeitgeber zu verklagen. »Vielleicht kann ich etwas von meiner Altersvorsorge abzweigen …«

»Kommt nicht infrage! Schließlich musst du für mich sorgen, wenn wir mal in Rente sind. Sofern ich nicht groß rauskomme, wonach es ja zurzeit nicht aussieht. Wenn wir alt sind, werden wir dein Geld bitter nötig haben.«

Unter normalen Umständen hätte es Andy ihrer Schwester übel genommen, dass sie ganz selbstverständlich davon ausging, in ihrer beider Zukunft würden keine Männer vorkommen. Dass Lace glaubte, nie wieder jemanden lieben zu können, war ja verständlich, aber was war mit Andy? Nur weil sie kein Date mehr gehabt hatte, seit …

Okay, das war jetzt zu deprimierend. Das letzte Date war schon so lange her, dass sie sich nicht einmal mehr daran erinnern konnte. Zusammen mit ihrer finanziellen Misere ergab das einen wirklich trüben Morgen.

Den Gedanken an ihr einsames Bett schob sie vorerst beiseite und konzentrierte sich stattdessen auf das akute Problem. »Also, wie schlimm sieht es aus?«

Lacys Gesicht verdüsterte sich. »Schlimm. Ich dachte, ich könnte es mit ein paar zusätzlichen Gigs ausgleichen, aber ich hab einfach nichts bekommen, bei dem genug rausspringt. Im Moment reicht das Geld kaum für die Miete, und bald brauche ich eine neue Monatskarte für die U-Bahn. Und ist...