Siege oder lerne - Wie ich Conor McGregor zum MMA-Champion machte

von: John Kavanagh

riva Verlag, 2017

ISBN: 9783959719971 , 248 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 12,99 EUR

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Siege oder lerne - Wie ich Conor McGregor zum MMA-Champion machte


 

 

 

 

 

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Ich verdiene meinen Lebensunterhalt damit, Menschen das Kämpfen beizubringen. Es mag daher überraschend sein, dass ich bis Anfang 20 Angst vor dem Kämpfen hatte. Ich hasste Streit, Lärm, Gewalt – im Grunde jede Art von Konflikt. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches, aber bei mir ging es weiter, ich war ein Schwächling oder Weichei, wie einige meiner Schulkameraden mich nannten.

Aufgewachsen bin ich in der Nutgrove Avenue in Rathfarnham, einem Vorort im südlichen Dublin. Meine Schwester Ann war bereits zweieinhalb Jahre alt, als ich am 18. Januar 1977 das Licht der Welt erblickte. Mein Bruder James wurde erst um einiges später geboren.

Wir wohnten in einer Sackgasse, die anderen Kinder in der Straße waren Mädchen, was bedeutete, dass ich die meiste Zeit allein war. Es gab einen einzigen anderen Jungen, der aber viel älter war als ich, deshalb erlaubte man mir kaum, mit ihm zu spielen. Während Ann mit den anderen Mädchen zugange war, beschäftigte ich mich mit verschiedensten Krabbeltieren. Ich war schon früh begeistert von Spider-Man und interessierte mich auch sehr für echte Spinnen. (Das tue ich immer noch: Ich habe eine Tarantel im Büro, gleich neben meinem Schreibtisch. Aber keine Sorgen, sie macht keine Spaziergänge in der Sporthalle – ich halte sie in einem Behälter.) Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen war das Füttern von Spinnen. Ich suchte Ameisen und warf diese dann in das Spinnennetz, um zu beobachten, wie die Spinnen sie auffraßen. Das gefiel mir.

Wenn ich mit Ann und ihren Freundinnen spielen wollte, schickten sie mich immer weg. Ich war ein Junge, die anderen waren Mädchen, also störte ich nur. Dennoch klopfte man mir immer wieder auf die Schulter und sagte: »John, später wirst du mit ihnen ausgehen.« Als einziger Junge in der Gegend war ich wohl so etwas wie der allgemeine Vorzeigefreund. Leider war das nicht auf meine Unwiderstehlichkeit zurückzuführen: Sie hatten einfach keine andere Wahl.

Laut meinen Eltern war ich kein besonders schwieriges Kind, dafür waren Ann und James ziemlich wild. Ich war wohl eher wie meine Mutter – ruhig und introvertiert. Es ist schwierig, mich auf die Palme zu bringen. Ann und James ähneln im Charakter mehr meinem Vater. Er hat ein hitziges Temperament, um es milde auszudrücken.

In der Schule wurde ich häufig schikaniert und gewöhnlich war es Ann, die mich rettete. Sie hielt mir immer den Rücken frei. Der Junge, der mich am meisten quälte, hieß Steven. Er war so jemand, der einem das Pausenbrot stiehlt oder auch das Geld, wenn man mal Geld hatte. Eines Tages sah Ann, wie Steven mich drangsalierte. Sie attackierte ihn sofort mit einem Regenschirm. Das war das Ende seiner Schikanen. Es gibt echt nichts Schlimmeres als ein Mädchen aus Dublin mit einem Regenschirm, das sieht, wie man auf ihrem kleinen Bruder herumhackt! Aber Steven war nicht der einzige Schultyrann. Doch ich war nie wirklich in einen Kampf verwickelt, ich ging dem meistens aus dem Weg. Wenn man mich schlug, schlug ich nicht zurück.

Obwohl wir sehr unterschiedliche Menschen sind, standen Ann und ich einander immer sehr nahe. Als Ann einmal am Zaun, der unseren Garten vom Garten des Nachbarn trennte, hinfiel, weinte ich mehr als sie. Immer wenn ich etwas geschenkt bekam – auch wenn es nur ein Biskuit war – fragte ich: »Und was ist mit Ann?« Ich nahm keine Kleinigkeit an, wenn nicht auch Ann etwas davon abbekam. Wir waren eng verbunden.

Mein Vater und ich waren uns in meiner Jugend nie sehr nah, erst mit Ende 20 begann ich eine Beziehung zu ihm aufzubauen. Gemeinsam mit meiner Mutter leistete mein Vater viel für unsere Erziehung, ich habe in dieser Hinsicht nichts auszusetzen, aber er war laut und aggressiv, er genoss es zu brüllen und zu streiten, während ich das genaue Gegenteil war. Mein Vater würde es mit zehn Gegnern gleichzeitig aufnehmen; ich hatte schon Angst bei der Vorstellung, einen einzigen Gegner zu haben, geschweige denn eine ganze Gruppe. Er bestand darauf, mit mir die Sportschau zu sehen – wahrscheinlich in der Hoffnung, mich für Fußball zu begeistern; aber ich hasste die Sendung. Schon die Eingangsmelodie machte mich wütend.

Aber im Lauf der Jahre änderte sich unser Verhältnis. Heute ist er mein bester Freund. Mit dem Alter begannen wir einander anscheinend besser zu verstehen. Aber auch heute noch genießt er einen Streit. Wenn wir einfach so zusammensitzen, dann wird er bestimmt ein Thema anschlagen, über das er streiten kann. Das ist eben sein Naturell. Mein Vater und James zanken ständig. Sie können nicht beieinander sein, ohne über irgendein schwachsinniges Thema zu debattieren. Für mich ist es unverständlich, dass das Menschen Spaß machen kann – für mich ist es einfach ermüdend, aber für sie ist das anders.

Ich finde Vergleichbares beim brasilianischen Jiu-Jitsu: Mir gefällt das so gut wie ihnen ein zünftiger Streit.

Dass ich von zu Hause auszog, als ich älter wurde, hat das Verhältnis zu meinem Vater auf jeden Fall verbessert. Wenn man auszieht, kann man seine Eltern endlich als Menschen sehen. Bis dahin sind sie einfach die Eltern.

Abgesehen davon, dass mein Vater mit wirklich jedem in seiner Umgebung darüber stritt, welche Farbe der Himmel hat, waren wir eine ganz normale irische Familie. Mein Vater ist ein großartiger Mensch. Er kümmerte sich um die Sportanlagen am De La Salle College, wo auch ich zur Schule ging, und später wurde er Bauunternehmer. Er ist ein unabhängiger Mensch, der sich selbst sehr gut motivieren kann. Was ich an unternehmerischem Denken habe, verdanke ich ihm. Mein Vater denkt keineswegs daran, jemals in Rente zu gehen. Er hat schon oft gesagt, dass man ihn eines Tages von einer Baustelle wegtragen wird. Er liebt seine Arbeit und wird sie niemals aufgeben.

Wenn ich darauf zurückblicke, wie er die Familie versorgt hat, als wir klein waren, muss ich ihn wirklich bewundern. Er arbeitete unglaublich hart, damit es uns an nichts fehlte, auch wenn wir keine wohlhabende Familie waren. Die Kehrseite der Medaille war, dass wir niemals Geld bekamen. Andere Kinder erhielten Taschengeld, was ich sehr erstaunlich fand. Wir bekamen niemals Taschengeld. Geld fürs Nichtstun zu kriegen, das hörte sich zu schön an, um wahr zu sein. Und so war es auch bei uns: zu schön, um wahr zu sein.

Mein Vater hielt mich immer auf Trab. Als Kind konnte ich niemals wirklich lange ausschlafen. Und wenn ich einmal den Fehler beging, zu sagen, dass es nichts zu tun gab, drückte er mir sofort eine Liste mit Aufgaben wie Wäsche waschen oder Rasen mähen in die Hand. Nach meinem 14. Geburtstag nahm er mich an den Wochenenden oder während der Schulferien häufig zur Arbeit mit.

Im Grunde war ich aber eher ein Muttersöhnchen. Meine Mutter war ein ruhiger, reservierter und stiller Charakter, sie regte sich niemals auf, daher konnte ich mich mit ihr viel leichter identifizieren. Sie nahm ab und zu Reinigungsjobs an, aber wie viele irische Mütter damals kümmerte sie sich vor allem um den Haushalt. Als ich in der Sekundarstufe war, ging ich zum Mittagessen nach Hause, wo bereits mein getoastetes Schinken-und-Käse-Sandwich auf mich wartete. Ich aß es, während ich mir im Fernsehen Neighbours ansah. Das tat ich immer in meiner Pause, die 45 Minuten dauerte. Ich genoss das. Mutter und ich sprachen kaum ein Wort miteinander, aber so gefiel es uns: friedlich und still. Es war perfekt – wenn nicht Vater früher nach Hause kam. Dann musste Neighbours abgeschaltet werden, weil wir vor 18 Uhr nicht fernsehen durften. Mein Vater kümmerte sich nicht um die Hochzeit von Jason und Kylie, solange es Hausaufgaben zu machen gab. Das bedeutete nicht, dass wir viele Aufgaben bekamen, denn für die letzten Jahre in der Grundschule im De La Salle hatten wir nicht einmal einen Lehrer. Der Schuldirektor beaufsichtigte die Klasse, aber er war ständig unterwegs, sodass wir die meiste Zeit allein waren. Im Rückblick hört sich das total verrückt an – wahrscheinlich waren Personaleinsparungen der Grund dafür. Auf uns selbst gestellt, schoben wir die Schulbänke an die Seitenwände und spielten »Royal Rumble«, ein Wrestling-Event. Ich stand an der Tür und spähte nach draußen, ob der Direktor zurückkam.

Als ich in die Sekundarschule kam, war ich ein schlechter Schüler. Die Aufnahmeprüfung war verheerend, weil ich die letzten beiden Jahre in der Grundschule kaum etwas gelernt hatte. Ich war kein besonders kluger Kopf, aber wenn es darum ging zu lernen und mich meiner Arbeit zu widmen, war ich gut. Auch wenn ich kein cooler Junge war, so war ich doch auch keiner der Streber. Tatsächlich war ich meistens allein oder mit meinem besten Freund Derek Clarke zusammen. Derek und ich hatten beide Taranteln.

 

Mit Ende 20 trainierte mein Vater ein wenig Karate. Es war das erste Mal, dass er etwas anderes tat als Fußball spielen. Er war ein guter Tormann zu seiner Zeit und auch als Schiedsrichter in der irischen Liga tätig. Fußball war ohne Zweifel seine große Leidenschaft, aber er begriff schon ziemlich früh, dass ich daran kein Interesse hatte.

Mit vier Jahren schickte mein Vater mich zum ersten Mal in einen Karate-Kurs. Es gab Klubs in unserer Nähe, aber wir fuhren zu einem Klub in der Sheriff Street im nördlichen Zentrum, weil mein Vater dort trainiert hatte. Er war 20 Kilometer entfernt und wir hatten kein Auto, aber mein Vater setzte mich auf die Lenkstange des Fahrrades und so fuhren wir hin und zurück. Trainer war ein Japaner der alten Schule: ein klassischer Sensei, umgeben von einem geheimnisvollen Flair. Zu Beginn der...