Unternehmensnachfolge im Mittelstand

von: Ralph Beckmann, Heike Brost, Martin Faust

Frankfurt School Verlag, 2018

ISBN: 9783956470790 , 660 Seiten

4. Auflage

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 77,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Unternehmensnachfolge im Mittelstand


 

Unternehmensnachfolge im Mittelstand –
Daten und Fakten in Deutschland


Heike Brost/Martin Faust
 
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Zielsetzung dieses einleitenden Beitrages ist es, den Begriff des Mittelstandes zu konkretisieren sowie die Relevanz des Themas Unternehmensnachfolge für die Zielgruppe aufzuzeigen.
Es werden zunächst zwei in der Wissenschaft und Praxis oft verwendete Definitionen des Begriffes Mittelstand dargestellt. Hierbei erfolgt auch eine Abgrenzung zum häufig synonym verwendeten Begriff des Familienunternehmens. Anschließend werden Daten und Fakten zur Unternehmensnachfolge in Deutschland vorgestellt.

1  Der deutsche Mittelstand – Definition und Abgrenzung


Deutschland ist – anders als der anglo-amerikanische Raum – stark von einer mittelständischen Unternehmenskultur geprägt.
Der Begriff Mittelstand wird in den Medien und in der Politik sehr häufig verwendet. So werden die mittelständischen Unternehmen als Rückgrat der deutschen Wirtschaft hervorgehoben. Umso erstaunlicher ist es, dass keine einheitliche oder gar gesetzliche Abgrenzung von kleineren, mittleren und großen Unternehmen in Deutschland besteht. In der Wissenschaft und Praxis werden zumeist zwei Definitionen verwendet, die eine Unterscheidung anhand verschiedener Unternehmensdaten vornehmen.
Das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn (IfM) setzt den Begriff Mittelstand mit dem der kleinen Unternehmen (KMUs) gleich. Diese werden als unabhängige Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten und einem Umsatz von unter 50 Millionen EUR definiert.[1] Innerhalb der Gruppe der KMUs erfolgt eine weitere Differenzierung.
KMU-Definition des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn

Unternehmensgröße

Zahl der Beschäftigten

Umsatz pro Jahr

Kleinst

bis 9

bis 2 Mio. EUR

Klein

10 bis 49

über 2 bis 10 Mio. EUR

Mittel

50 bis 499

über 10 bis 50 Mio. EUR

Die EU-Kommission nimmt in ihrer Empfehlung eine Unterteilung in kleinste, kleine und mittlere Unternehmen vor.[2] Die Unterscheidung erfolgt anhand von drei Kriterien.[3]
KMU-Schwellenwerte der Europäischen Kommission

Unternehmensgröße

Zahl der Beschäftigten

Umsatz pro Jahr

Bilanzsumme

Kleinst

bis 9

bis 2 Mio. EUR

bis 2 Mio. EUR

Klein

bis 49

bis 10 Mio. EUR

bis 10 Mio. EUR

Mittel

bis 249

bis 50 Mio. EUR

bis 43 Mio. EUR

Beiden KMU-Definitionen ist gemein, dass sie eine weitgehende Unabhängigkeit der Unternehmen verlangen. Das bedeutet, dass Unternehmen, die zu einer Unternehmensgruppe gehören, nicht zu den KMU gezählt werden. Die EU-Kommission fordert konkret, dass kein anderes Unternehmen einen Anteil von mehr als 25% am betreffenden Unternehmen besitzen darf.[4]
Aktuell existieren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes etwa 3,6 Mio. Unternehmen in Deutschland.[5] Gemäß der KMU-Definition des IfM Bonn zählen 99,6% der Unternehmen zu den kleinen und mittleren Unternehmen. Auf sie entfallen 35,3% aller Umsätze und 58,5% aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten.[6]
Von dem Begriff des KMU ist das Familienunternehmen abzugrenzen. Beide Begriffe werden in der Praxis häufig synonym behandelt. Dies ist jedoch nicht sachgerecht.
Gemäß der Definition des IfM ist das wesentliche Merkmal eines Familienunternehmens, dass die Eigentums- und Leitungsrechte in der Person der Unternehmerin/des Unternehmers bzw. deren Familie vereint sind. Somit besteht eine Einheit von Eigentum und Leitung. Konkret liegt ein Familienunternehmen gemäß IfM dann vor, wenn:
  • bis zu zwei natürliche Personen oder ihre Familienangehörigen mindestens 50% der Anteile eines Unternehmens halten und

  • diese natürlichen Personen der Geschäftsführung angehören.[7]

Die Unternehmensgröße ist für die Einstufung als Familienunternehmen durch das IfM nicht relevant. Somit können auch große Unternehmen von Einzelpersonen oder Familien geführt werden. Die Rechtsform ist ebenfalls unerheblich. Es kann sich sowohl um Einzelunternehmen als auch um Personen- oder Kapitalgesellschaften handeln.
Das Institut für Mittelstandsforschung hat auf der Basis seiner Definition ermittelt, dass etwa 95% der deutschen Unternehmen Familienbetriebe sind.[8]
Im Rahmen dieses Herausgeberbandes wird hinsichtlich der Abgrenzung der Begriffe ein pragmatischer Ansatz gewählt. Mit Blick auf die Praxisrelevanz des Themas Unternehmensnachfolge kann der Begriff des Mittelstandes mit dem des Familienunternehmens gleichgesetzt werden. In der Regel wird es sich auch um kleinere und mittlere Unternehmen handeln. Bei Unternehmen, die über eine breitere Eigentümerstruktur und/oder eine größere Unternehmensgröße verfügen, liegen zumeist Strukturen vor, die eine weitgehend reibungslose Unternehmensnachfolge gewährleisten.
Das wahrgenommene Maß an Kontinuität der Eigentumsverhältnisse bei Familienunternehmen mag durchaus höher sein als bei Kapitalgesellschaften. Gleichwohl sind Familienunternehmen weitaus anfälliger für Veränderungen in dem Sinne, dass der Betrieb auf einzelne Personen und im Extremfall auf eine Person zugeschnitten ist. Unweigerlich kommt in jedem Familienunternehmen der Zeitpunkt einer Übergabe an einen (oder mehrere) Nachfolger.

2  Übergabereife und übernahmewürdige Unternehmen


Ausgehend von den Erläuterungen des Instituts für Mittelstandsforschung liegt eine Unternehmensnachfolge vor, wenn in einem Familienunternehmen ein Leitungswechsel erfolgt, der in der Person des Eigentümers begründet liegt.[9]
Wird ein Rückzug des Eigentümergesellschafters aus persönlichen Gründen innerhalb der nächsten fünf Jahre stattfinden, so ist ein Unternehmen als „übergabereif“ anzusehen.
Allerdings ist nicht jedes übergabereife Unternehmen auch „übernahmewürdig“. Übernahmewürdige Unternehmen setzen vielmehr eine ökonomisch attraktive Verfassung des Betriebs voraus, die sich aus dem Ertragswert, also der Summe der diskontierten Gewinne der Zukunft, ableitet. Häufigste Einflussfaktoren auf diesen sind ein bekannter Name, ein eingeführtes Produkt, ein fester Kundenstamm oder eine gute Lage. Sind die zu erwartenden Gewinne aus dem Unternehmen höher als die durchschnittlich zu erwartenden Gewinne aus einem neu zu gründenden Unternehmen (oder in der Individualbetrachtung durchaus auch aus einer abhängigen Beschäftigung und Kapitalerträgen), so ist das zur Übergabe anstehende Unternehmen ökonomisch attraktiv. Dies kann nach Auffassung des Instituts für Mittelstandsforschung regelmäßig angenommen werden für Unternehmen, die als Jahresgewinn mindestens etwa 100.000 EUR ausweisen, bzw. bei Kapitalgesellschaften beträgt die Grenze aufgrund des zusätzlich anfallenden Geschäftsführergehaltes 0 EUR.[10]
Für Unternehmen, die unterhalb dieser Grenzen liegen, ist es schwierig, einen Käufer zu finden. Vielfach werden die Unternehmen geschlossen, wenn der Alteigentümer ausscheidet.
Ungeachtet dessen, dass auch nicht-finanzielle Erwägungen wie beispielsweise die Fortführung einer Familientradition eine Rolle bei der Entscheidung für oder gegen eine Übernahme sprechen können, sind auf dieser Grundlage unter rein monetären Gesichtspunkten von etwa 3,5 Mio. Familienunternehmen ca. 700.000 übernahmewürdig. Dies entspricht einem...