Weil jeder Atemzug zählt - Die Geschichte zweier Menschen, die der Liebe mehr zutrauen als der Vernunft

von: Barbara Hänni, Markus Hänni

adeo, 2018

ISBN: 9783863347918 , 224 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 13,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Weil jeder Atemzug zählt - Die Geschichte zweier Menschen, die der Liebe mehr zutrauen als der Vernunft


 

BARBARA

Als junges Mädchen hatte ich von der Liebe wahrscheinlich dieselben romantischen Vorstellungen wie andere Gleichaltrige auch. Eines Tages würde ich dem Mann meines Lebens begegnen und sofort wäre alles klar. Die berühmten Schmetterlinge im Bauch würden jeden Zweifel verscheuchen, ich wüsste einfach: Dieser Mann und kein anderer wird mich glücklich machen. Eben genau so, wie es uns die erfolgreichen Hollywoodstreifen immer und immer wieder vorgaukeln. Man überwindet äußere Schwierigkeiten und am Ende steht das Happy End. Und ebenso happy spielt sich selbstverständlich das ganze weitere Leben ab.

Ich gehöre eher zum rationalen Menschenschlag, und deswegen kamen mir schon auf dem Weg zum Erwachsenwerden an diesem Liebeskonzept einige Zweifel. An meinen Eltern konnte ich beobachten, dass eine gute Ehe viel Einsatz braucht und den festen Willen, sich die Liebe im Alltag zu erhalten. Die beiden führten ein über die Grenzen der Schweiz hinaus bekanntes und mit siebzehn Gault-Millau-Punkten und einem Michelin-Stern ausgezeichnetes Gourmetrestaurant und erwiesen sich nicht nur dabei als ausgezeichnetes Team. Bis heute im längst verdienten Ruhestand verbindet sie immer noch eine tiefe Liebe. Ich denke, von Anfang an hatten sie außer der Zuneigung zueinander auch ein gemeinsames Lebensziel: Das Restaurant „Krone“ in Bätterkinden von meinem Großvater zu übernehmen, ihr Bestes zu geben, um einen Ort zu erschaffen, an dem andere Menschen sich wohlfühlen können.

Sicherlich habe ich schon als Heranwachsende in dieser Umgebung unbewusst verinnerlicht, dass eine gemeinsame Vision ein Paar fest zusammenschweißen kann.

Auch wenn meine Eltern nicht übermäßig viel Zeit für mich und meine vier Jahre ältere Schwester hatten, so verlebte ich eine glückliche, geborgene Kindheit. Unsere gemeinsame Familienzeit war intensiv und liebevoll, und meine Eltern vermittelten uns nicht nur ein Gefühl für Qualität und Perfektion, sondern auch den christlichen Glauben als Grundlage für ihre Sicht auf die Welt. Dazu gehörte auch unsere Stille Zeit, wo gebetet und in der Bibel gelesen und über das Gehörte miteinander diskutiert wurde. Obwohl ich diese Stillen Zeiten während meines Teenageralters hin und wieder als ein Muss erlebte, so wuchs doch mein Interesse am Glauben, je älter ich wurde.

So kam es, dass ich später zufälligerweise dieselbe Kirchengemeinde besuchte wie Markus, und ihn aus der Ferne schon lange kannte, ehe er mich überhaupt wahrnahm. Das soziale Leben spielt in unserer Gemeinde eine große Rolle mit zahlreichen kulturellen Veranstaltungen, in denen sich Markus bis heute leidenschaftlich als Schauspieler, Autor und Regisseur von Theaterstücken und Musicals engagiert. Jeder wusste von seiner Krankheit, auch wenn er selbst damit sehr diskret umging. Das brauchte einem niemand zu sagen, es war klar, dass er nicht gerne darüber sprach.

Mich jedoch interessierte das Thema Mukoviszidose brennend, denn ich hatte vor meiner Ausbildung zur Pflegefachfrau meine Abschlussarbeit auf der Diplommittelschule über diese Erbkrankheit geschrieben. Ob das wohl reiner Zufall war – oder eher Führung?

Ich kam auf das Thema, weil eine der Köchinnen im Restaurant meiner Eltern unter dieser Krankheit litt. Ihren konkreten Fall behandelte ich in meiner Arbeit. Leider starb sie vor zwei Jahren im Alter von fünfundvierzig Jahren, ein Schicksal, das lange Zeit für die meisten Mukoviszidosepatienten unausweichlich schien.

Unheilbar kranke Menschen kommen in den üblichen Hollywoodromanzen vielleicht in den Nebenrollen vor, aber als sogenannte love interest, also als Held, in den sich die weibliche Hauptdarstellerin verliebt, eher nicht. Um es mal ganz krass auszudrücken: Die gemeinsame Perspektive ist für ein Leben à la Hollywood einfach zu kurz.

Lange galt, dass Mukoviszidosepatienten kaum älter als dreißig Jahre werden können. Als ich Markus kennenlernte, war er schon Ende zwanzig. Vernünftig, wie ich war, kam ich erst gar nicht auf die Idee, mich in ihn zu verlieben.

Obschon er mich von Anfang an faszinierte. Markus ist ein attraktiver Mann mit einer außergewöhnlichen Ausstrahlung. Jeder mochte ihn gern. Wenn er auf der Bühne steht, sprüht er nur so, und sein feiner Humor gefiel mir gleich. Doch ich war Anfang zwanzig, das Leben lag vor mir und Markus war nicht der einzige interessante Mann in meinem Umfeld.

Damals durchlebte ich gerade diese typische Phase einer jungen Frau, die ihre Chancen beim männlichen Geschlecht behutsam austestete, mit aller notwendigen Vorsicht. Noch hatte ich mich auf keine feste Beziehung eingelassen. Diese Herzensangelegenheiten waren mir viel zu wichtig, um allzu leichtfertig an diese Dinge heranzugehen. Wenn ich mich schon auf einen Mann als Partner einlassen sollte, dann wollte ich auch das Gefühl haben, dass aus der Beziehung etwas Ernstes entstehen könnte.

Ich war nicht der Typ, der wie ein Schmetterling von einem Mann zum nächsten flattert, ganz im Gegenteil, das war nie meine Art. Meine Antennen allerdings waren weit ausgefahren, und es war natürlich schmeichelhaft, wenn ich bemerkte, dass sich ein Mann für mich interessierte. Diese kleinen Blicke, die unausgesprochenen Schwingungen des Werbens, das konnte ich durchaus genießen. Aber festlegen wollte ich mich noch nicht.

In unserer Gemeinde treffen wir uns unter der Woche in smallgroups. Ein schöner Ort, um sich besser kennenzulernen und Leben und Glauben zu teilen. Und plötzlich fand ich mich in der gleichen Gruppe wie Markus wieder.

Wir kamen miteinander ins Gespräch und stellten fest, dass wir uns eine Menge zu sagen hatten und uns überaus sympathisch fanden. Markus bot an, mich nach den Treffen nach Hause nach Bätterkinden zu fahren, und bald wurde daraus eine lieb gewonnene Gewohnheit. Wir redeten und redeten, und da uns die halbstündige Fahrzeit nicht ausreichte, saßen wir regelmäßig ein bis zwei Stunden in Markus’ Auto vor unserem Haus, ehe wir uns verabschiedeten. Dass er mich mochte, war offensichtlich, und das tat mir gut. Wir wurden beste Freunde, und ich stellte fest, dass ich mit Markus noch offener reden konnte als sogar mit manchen meiner Freundinnen …

MARKUS

Es war für mich nichts Neues, für junge Frauen so etwas wie ein Seelentröster zu sein. Der sprichwörtliche gute Freund, dem man sein Herz ausschütten konnte, der die Gabe hatte, zuzuhören und der oftmals einen Rat wusste. Nachdem eine Beziehung aufgrund der Einschränkungen durch meine Krankheit gescheitert war, hatte ich schweren Herzens die Hoffnung auf Ehe oder gar Familiengründung aufgegeben. Oder vielleicht doch nicht? Natürlich hatte ich mir immer gewünscht, eines Tages einer Frau zu begegnen, der ich meine Liebe schenken könnte. Schließlich bin ich in einer überaus liebevollen Familie aufgewachsen und nichts lag näher, als mir selbst eine solche zu erträumen. Und war es wirklich wider alle Vernunft, dass das Unmögliche wahr werden könnte? In meinem Leben hatte es schon so viele scheinbare Unmöglichkeiten gegeben, die sich am Ende als möglich herausgestellt hatten. Warum also nicht auch in der Liebe?

Doch zunächst sah es nicht danach aus. Die Frauen, mit denen ich mich gut verstand, zogen mich nicht als Partner in Betracht, sondern immer wieder fand ich mich in der Rolle eines Vertrauten, mit dem man alles besprechen konnte. So auch mit Barbara. Wir redeten an jenen Abenden in meinem Auto über alles Mögliche und fanden überhaupt kein Ende. Dabei war es gar nicht so, dass ich mich sofort in sie verliebte. Ich sah in ihr zunächst lediglich eine liebe Freundin. Mehr nicht.

Bis sie mich eines Tages auf die Seite nahm und sagte: „Eines möchte ich gerne klären, Markus, damit keine Missverständnisse zwischen uns entstehen. Ich sehe in dir einen richtig guten Freund. Aber mehr kann daraus nicht werden. Nicht dass du dich womöglich in mich verliebst!“

„Nein, nein“, beeilte ich mich zu sagen, ein wenig verwirrt über diese unerwartete Eröffnung. „Keine Sorge, ich sehe das genauso. Wir sind best friends. Mehr nicht.“

„Na“, antwortete Barbara erleichtert, „dann ist ja alles gut.“

Ich aber blieb an diesem Abend stiller als sonst. Denn irgendwie beschäftigte mich das nun doch. Was Barbara gesagt hatte, behagte mir überhaupt nicht. Und ich stellte fest, dass ich nicht die Wahrheit gesagt hatte. Nicht dass ich absichtlich gelogen hätte, nein, ganz und gar nicht. Aber mir wurde erst jetzt, als Barbara mehr als eine gute Freundschaft so kategorisch ausgeschlossen hatte, bewusst, dass ich tatsächlich mehr für sie empfand. Doch ihr das zu eröffnen, dazu hatte ich noch nicht den Mut …

BARBARA

Es gab noch einen zweiten jungen Mann, dem ich dasselbe sagte wie Markus. Und in diesem Fall hatte ich gut daran getan, die Karten offenzulegen, denn hier wurde meine Erklärung nicht ganz so gelassen aufgenommen.

Wie ich dazu kam, gleich bei zwei Männern meiner näheren Umgebung derart mit der sprichwörtlichen Tür ins Haus zu fallen? Nun, mir war bewusst geworden, dass ich angefangen hatte, die Aufmerksamkeiten von diesen beiden jungen Männern zu genießen. Sie schmeichelten meinem Ego und bestätigten mich. Als mir klar wurde, dass es wirklich kein besonders löbliches Verhalten war, mit den Gefühlen anderer Menschen zu spielen, um mich selbst aufzuwerten, fühlte ich mich zu dieser Klärung verpflichtet. Denn schließlich war ich davon überzeugt, dass weder Markus noch der andere Freund jemals mehr für mich sein könnten. Also wollte ich ehrlich sein und jegliche Hoffnung gleich im Keim...