Lassiter 2386 - Blutroter Fluss

von: Jack Slade

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2018

ISBN: 9783732563043 , 64 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 1,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Lassiter 2386 - Blutroter Fluss


 

Ein Kugelhagel ging auf das benachbarte Flussufer nieder, und die Frauen gerieten in Panik. Die Projektile peitschten in die Wasseroberfläche, die aufspritzte, als würden sich kleine Tiere mordgierig auf die Squaws stürzen wollen. Kopflos rannten sie kreischend durcheinander und ließen dabei alles stehen und liegen. Eine der jungen Frauen schien einen Streifschuss abbekommen zu haben; Sie schrie auf und geriet ins Taumeln, bevor sie von einer Gefährtin aufgefangen und mitgezogen wurde.

Emily Vain lachte heiser, als sie beobachtete, wie zwei der jungen Komantschen-Squaws in blinder Flucht zusammenstießen und dabei zu Boden gingen. Ein einziges Tohuwabohu, das ganz in ihrem Sinne war und wieder einmal zeigte, wie primitiv diese Wesen waren, von denen man behauptete, sie seien Menschen.

Nur ein kleines Feuerwerk, und man erzeugte Panik unter ihnen.

Es war so leicht wie ein Kinderspiel.

Ein kehliges Grunzen neben ihr ließ sie den Blick wenden. Es handelte sich unverkennbar um Jacks Stimme.

Jack »Redneck« Collins klopfte ihr rustikal auf die Schulter, was sie mit einem breiten Grinsen beantwortete. Der knapp sechs Fuß große, ehemalige Südstaatenoffizier war ein grober Klotz und wirkte mit seinem dichten rotbraunen Bart und dem wilden, kupferfarbenen Haar unter der Mütze aus Biberfell wie ein Waldschrat, war dabei aber viel intelligenter, als er aussah.

Die Männer neben ihnen feuerten noch ein paar Schüsse in Richtung des anderen Ufers ab, obwohl die jungen Frauen bereits hinter den Büschen in Richtung der Tipis verschwunden waren und sich damit außer Reichweite ihrer Gewehre befanden. Dann erhoben sie sich und eilten lachend mit schnellen Schritten zu ihren Pferden.

Jack packte sie, als sie bereits in den Sattel steigen wollte, und sie küssten sich voller Leidenschaft. Die Berührung fühlte sich an, als würde sie ihr Gesicht in trockenes Moos stecken, und sie wusste, dass sie noch heute Nacht – so schnell wie möglich – Sex haben würden, der so heiß und leidenschaftlich war wie der Hass auf die räudigen Rothäute am anderen Ufer des Red River.

Zwei Dinge gab es, die Emily und Jack miteinander verbanden: die schier unstillbare Lust an körperlicher Liebe sowie der Wunsch, das Volk der Komantschen ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen.

Was der Armee bei den blutigen Auseinandersetzungen im vergangenen Jahr nicht gelungen war. Die Komantschen unter ihrem Kriegshäuptling Quanah Parker hatten letztlich kapituliert und sich in ihr Reservat zurückgezogen, als sie erkennen mussten, dass sie der geballten Feuerkraft der uniformierten Truppen nichts mehr entgegenzusetzen hatten. Doch für Emilys Eltern war der Friedensschluss zu spät gekommen.

Redneck hob sie mit einer kräftigen Bewegung in den Sattel und klopfte ihr auf den Hintern, bevor er mit schnellen Schritten zu seinem eigenen Pferd ging. Emily sah ihm nach und fröstelte ein wenig, denn die Nacht war kühl. Sie warf einen kurzen Blick zum Fluss zurück und lächelte grimmig, als sie von dort aus erregtes Stimmengewirr wahrnahm.

»Weg hier, Leute!«, rief sie mit unterdrückter Stimme, und kurz darauf hatte die Dunkelheit die Reiter verschluckt.

Nachdem sie die Hügel jenseits des Flussufers überquert hatten, zügelten sie ihre Pferde. Unter ihnen lag die langgestreckte Senke, in der sich ihre Zukunft befand.

Borderline. Eine Siedlung unweit des Indianerreservats, die man den Siedlern und Büffeljägern zugestanden hatte, nachdem der Krieg gegen die Komantschen, Kiowa und Cheyenne beendet worden war.

Eine Vereinbarung, die allen hier lebenden Menschen zu einem friedlichen Miteinander verhelfen sollte. So klang es aus dem Mund der Regierung. Doch Emily war nicht bereit, diesen aus ihrer Sicht vergifteten Frieden zu akzeptieren.

Ihr Vater und ihre Mutter hatten nur ein paar Meilen weiter westlich den Tod gefunden, durch die Hand der Komantschen. Robert Vain hatte es als Büffeljäger zu bescheidenem Wohlstand gebracht und war einer der Gründer der kleinen Siedlung Borderline gewesen, die nun allmählich zu einer Stadt heranwuchs. Gemeinsam mit seiner Frau Eleanor hatte er sich gegen die Indianer zur Wehr gesetzt, die die Weißen nicht duldeten und das Land, aber vor allem die riesigen Büffelherden als ihr Eigentum ansahen. Immer wieder den heimtückischen Angriffen der Rothäute ausgesetzt, war ihr Vater froh gewesen, die Kinder Emily und Tolliver bei seiner Schwester in Gainesville zurückgelassen zu haben, obwohl er und Eleanor sie täglich vermissten.

Als im Sommer des vergangenen Jahres endlich die Armee einschritt und unter General Miles einen Feldzug gegen die Präriestämme begann, der in Bezug auf Material- und Personaleinsatz alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte, hoffte Robert Vain, seine Familie schon bald wieder vereint zu sehen und hier am Ufer des Red River ein friedliches, gottgefälliges Leben führen zu können. Ein kleines Stück Land hatte er sich bereits von offizieller Seite registrieren lassen, und nach der Vertreibung der Indianer beabsichtigte er, sein Brot mit Viehzucht statt mit der Büffeljagd zu verdienen.

Die Armee hatte einen Tagesritt nördlich von Borderline am anderen Ufer des Flusses einen Stützpunkt errichtet, Fort Sill. Danach waren die Truppen mit gnadenloser Härte gegen die Indianer vorgerückt, und die Siedler und Jäger am Ufer des Red River wähnten sich in trügerischer Sicherheit. Der totale Sieg über die blutrünstigen Rothäute schien nur noch eine Frage von wenigen Wochen zu sein. Der letzte Brief ihrer Mutter, der Emily erreicht hatte, war erfüllt von freudiger Erwartung gewesen, obwohl sie sie und Tolliver noch um etwas Geduld gebeten hatte, weil dein Vater immer noch von innerer Unruhe und düsteren Ahnungen getrieben nur wenig Schlaf findet.

Möglicherweise hatte Robert Vain trotz der Beteuerungen der Armee, die die Region am Red River mittlerweile als sicher erklärt hatte, seinem Instinkt vertraut.

Wenn dem so gewesen war, hatte Emilys Vater Recht behalten.

Als sie die Nachricht vom Tod ihrer Eltern erhalten hatten, waren sie und Tolliver sofort aufgebrochen nach Borderline. Sie hatten nicht auf den nächsten Treck zum Red River gewartet, sondern ihre Ersparnisse und wenigen Habseligkeiten genommen, um zwei Pferde zu kaufen und auf eigene Faust an den Ort zu reiten, an dem ihre Eltern von den Rothäuten ermordet worden waren. Vater und Mutter hatten ihnen ein kleines Haus, einen Acre Land dahinter, etwas Geld und zwei Gräber am Rande der Stadt hinterlassen.

Borderline.

Ihre Mundwinkel zuckten, und ihr Gesicht verzog sich zu einer bitteren Miene.

Ein Name, der behauptete, für eine Stadt zu stehen.

Stattdessen war es das Wort für einen Krieg, der noch nicht beendet worden war.

»Besser, wir reiten zur Südseite«, knurrte Jack und warf ihr einen kurzen Blick zu. »Muss ja nicht gleich jeder wissen, wo wir gewesen sind.«

Sie nickte und zog an ihren Zügeln. In sanftem Trab lenkten sie und ihre Männer die Pferde auf den kleinen, entlang der Hügelkuppe verlaufenden Pfad.

»Lassiter!«

Unter dem schneeweißen Schnauzbart des Mannes hinter dem Schreibtisch öffneten sich die Lippen zu einem erfreuten Lächeln, und Benjamin Nickelback erhob sich schwungvoll aus seinem Ledersessel. Durch das große Fenster hinter ihm schien die Abendsonne hinein und umrahmte die schmale Statur des Notars mit einer leuchtenden Aureole.

Lassiter schloss die Bürotür hinter sich und blinzelte. »Benjamin. Verdammt lang her …«

Nickelback trat am Tisch vorbei mit ausgreifenden Schritten auf ihn zu und ergriff die rechte Hand des Mannes der Brigade Sieben, um sie kräftig zu schütteln. »Es freut mich, dass Sie so schnell kommen konnten. Ein glücklicher Zufall, Sie ganz in der Nähe in New Mexico zu wissen. Deshalb erschien es mir ratsam, Ihre Unterstützung anzufordern.«

Der Advokat wandte sich halb um und deutete auf den anderen Gast, der auf einem Stuhl vor dem Schreibtisch saß. »Darf ich die Gentlemen einander vorstellen?«

Lassiter blickte auf einen breiten Rücken, der sich langsam über der Stuhllehne aufrichtete, als der Mann aufstand und sich zu ihnen umwandte, wobei er den Anschein erweckte, dies nur widerwillig zu tun.

»Sheriff Steve Desmond, designierter Ordnungshüter von Borderline. Lassiter, ein … nun ja … Mann für spezielle Aufgaben im Dienste der Bundesregierung.«

Desmonds Mundwinkel hoben sich leicht zu der Andeutung eines Lächelns, das seine Augen nicht erreichte. Wortlos tippte er sich an die Krempe seines dunkelbraunen Stetsons, der von einem Hutband aus Silbermünzen geschmückt wurde.

Lassiter nickte unmerklich. Die beiden Männer starrten sich sekundenlang taxierend an, bis Nickelback Lassiter eine Hand auf den Rücken legte und ihn mit sanfter Gewalt in Richtung des Schreibtisches schob.

Es war offenkundig, dass der Notar bereits mit Desmond über ihn gesprochen hatte und der Sternträger alles andere als begeistert über seine Beteiligung an der bevorstehenden Mission war.

»Sie müssen sich nicht gleich um den Hals fallen und abküssen. Aber tun Sie mir bitte auch den Gefallen, hier in meinem Büro keinen Boxkampf zu veranstalten, Messieurs«, brummte Nickelback, weil ihm die scheinbar elektrisch geladene Luft zwischen den beiden Männern nicht entgangen war. Er schob sich die mit einem fein ziselierten goldenen Rahmen gefassten Brillengläser zurecht, bevor er an ein Sideboard trat, auf der ein paar Karaffen und Flaschen neben glänzend polierten Gläsern standen.

Er füllte...