Giovanni - Shadows Band 3 - Roman

von: Christine Feehan

Heyne, 2019

ISBN: 9783641240721 , 560 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Giovanni - Shadows Band 3 - Roman


 

2


Lange Zeit musterte Sasha Giovanni Ferraro. Er war der attraktivste und gefährlichste Mann, den sie je zu Gesicht bekommen hatte, und er ängstigte sie zu Tode, obwohl sie sich noch vor keinem Menschen gefürchtet hatte. Sie kam vom Lande – aus einem sehr kleinen Ort in Wyoming, mehr oder weniger auf der grünen Wiese. Männer wie Giovanni Ferraro gab es dort nicht. Sie war kein schüchterner oder zurückgezogener Typ. Seit sie fünf gewesen war, war sie mit ihrem Vater und ihrem Bruder auf die Jagd gegangen. Schießen hatte sie sogar noch früher gelernt.

Ihr Vater hatte großen Wert darauf gelegt, seinen Kindern Respekt vor Waffen und deren korrekte Handhabung beizubringen. Sie schossen auf Erdhörnchen, die Löcher in den Boden gruben, in denen Rinder sich verfingen und sich die Beine brachen. Außerdem lockten die Erdhörnchen Schlangen an, deren giftiger Biss die Rinder traf und bisweilen tötete. Sie hatte gelernt, jedes Raubtier zu jagen, das ihr Vieh töten und verspeisen konnte. Derlei Dinge hatte sie schon in sehr jungen Jahren getan.

In ihrer Kindheit und Jugend war sie von Männern umgeben gewesen; schwer arbeitenden, guten Männern, die Frauen alle Achtung entgegenbrachten – oder sich wenigstens den Anschein gaben. Männer, die sich wegen Kameras oder einem Spiel um Geld an Frauen vergriffen, konnte sie einfach nicht verstehen. Und Giovanni erschreckte sie zudem, weil er enorm einschüchternd wirkte. Zum ersten Mal in ihrem Leben fragte sie sich, wo sie sich nur hineingeritten hatte.

»Haben Sie Kleidung zum Wechseln hier?«, fragte Giovanni in liebenswürdigem Ton.

Beinahe hätte sie vergessen, dass ihr Korsett zerrissen war. Im Nu flogen ihre beiden Hände empor, um ihre Brüste zu bedecken. Seine Jacke war viel zu groß für sie, und sie brauchte eine Hand, um die Aufschläge geschlossen zu halten. »Ja.« Glücklicherweise war sie in Jeans und T-Shirt gekommen und hatte sich erst hier umgezogen. So hielt sie es schon, seit sie den Job bekommen hatte. Ihr war einfach nicht wohl dabei, die Uniform schon unterwegs zu tragen.

»Gehen Sie sich umziehen.« Wieder klang seine Stimme sanft, doch sie nahm auch den Hauch eines Befehlstons wahr. »Ich warte hier auf Sie, also versuchen Sie gar nicht erst, einfach abzuhauen.«

Sasha nickte und hastete den Gang hinunter zum Umkleideraum für die weibliche Belegschaft, in dem sie ihre Klamotten zurückgelassen hatte. Es war eine Erleichterung, von dem Mann wegzukommen. Es gab Gerüchte über die Ferraros. Sie konnte sie von ihrer Wohnung über Masci’s Deli kommen und gehen sehen. Ihr neues Zuhause liebte sie, und ganz besonders liebte sie die Lage. Auf der Ranch hatte sie wie so viele Teenager davon geträumt, in die Stadt zu ziehen, aber sie hatte nie ernsthaft daran gedacht, Wyoming zu verlassen. Sie war überzeugt gewesen, sie würde einen Rancher heiraten und den Rest ihres Lebens ganz in der Nähe ihrer Eltern wohnen.

»Alles in Ordnung?«, fragte Mary Braiton, eine andere Kellnerin, die beinahe zur gleichen Zeit eingestellt worden war. Sie frischte gerade ihren Lippenstift auf, als Sasha hastig das zerrissene Korsett ablegte und ihr T-Shirt überzog.

»Ja«, entgegnete sie, ohne recht zu wissen, ob das wahr war. »Was ist bloß mit diesen Leuten los?«

»Ich habe keine Ahnung. Muss eine andere Gattung sein, so viel steht fest. Ich war total neidisch, als ich gehört habe, wie Mr. West gesagt hat, du darfst auf der VIP-Ebene arbeiten. Da oben, wo all die scharfen Millionäre sitzen und nur darauf warten, dass ihnen ein Mädchen wie ich über den Weg läuft. Da, wo all das Geld sitzt. Es hätte sich vielleicht ausgezahlt, die Aufmerksamkeit von John Darby und seinen Leuten zu wecken.«

»Gegen Geld?«, fragte Sasha und sah die andere Frau im Spiegel an, während sie ihre Jeans hochzog. »Du meinst, es würde sich lohnen, wenn jemand übergriffig wird, deine Brüste entblößt und dich antatscht? Wegen des Geldes?«

»Denk doch nur mal daran, wie viel es dir hätte einbringen können, wenn du seine Freundin geworden wärst oder womöglich sogar seine Frau. Und dann kommt Giovanni Ferraro, um dich zu retten? Das ist nicht nur irgendeine Goldader, das ist hier die Hauptader, Sasha. Schlaf mit ihm. Werd schwanger. Tu, was immer du tun musst, um ihn dir zu angeln. Und wenn es nicht klappt, kannst du immer noch deine Geschichte verkaufen.«

Langsam richtete sich Sasha auf. »Wegen des Geldes?« Sie wusste, sie hörte sich an wie ein Papagei, aber sie konnte nicht anders.

»Natürlich wegen des Geldes. Warum sonst arbeitest du hier? Warum denkst du, kommt der überwiegende Teil der weiblichen Gäste hierher? Die warten alle auf eine Chance auf das große Geld, darauf, dass einer der Ferraros auf sie aufmerksam wird. Kapierst du das nicht, Süße? Hier verkehren Millionäre. Prominente. Das ist eine riesige Lotterie, und du wirfst dein Los in die Trommel, wenn du hierherkommst. Für Leute wie dich und mich gibt es keinen besseren Ort, um solche Typen zu treffen. Wenn ich wüsste, dass ich mir nur von John Darby das Oberteil zerreißen lassen muss, um mir Aufmerksamkeit zu sichern, ganz besonders die von Giovanni Ferraro oder einem seiner Brüder oder Cousins, dann, das kannst du mir glauben, würde ich ihn dafür bezahlen.«

Sasha schlüpfte in ihre Schuhe. »Wenn einer von denen dich auffordern würde, mit ihm zu tanzen, würdest du versuchen, ihn dazu zu bringen, dich anzufassen? Unter deinen Klamotten?«

»Himmel, ja«, rief Mary. »Irgendwie muss man sich doch ins Spiel bringen, Schätzchen.«

»Also wäre auch ein Blowjob akzeptabel?«

»Überall und jederzeit«, bestätigte Mary. »Das wäre nur ein Schritt weiter in Richtung Ziel. Du willst doch eh Sex, und mit etwas Glück vergisst er, ein Kondom zu benutzen, oder du kannst wenigstens so tun, als wäre es gerissen.«

»Das ist abscheulich, Mary.«

Mary zuckte mit den Schultern. »Einen Millionär zu ficken ist auch nicht schwerer, als es einem armen Schlucker zu besorgen, oder?«

Sasha schüttelte nur den Kopf, weil ihr nichts mehr einfallen wollte, was sie hätte sagen können. Vielleicht gab es einen Grund dafür, dass Giovanni und seine Brüder dieses dumme Spiel spielten. Wenn sie wussten, dass Frauen nur in den Club gingen, um sich Männer wie sie zu angeln, hatten sie guten Grund, abgestumpft zu sein. Plötzlich war es ihr gewissermaßen peinlich, mit Giovanni wegzugehen. Wenn andere Frauen vor allem im Club arbeiteten, um die Ferraros kennenzulernen, dachte er vermutlich, dass auch sie nur deshalb hier war.

Leise vor sich hin fluchend stapfte sie den Gang zu dem Büro hinunter, in dem er auf sie wartete. Er ging unruhig auf und ab, hielt aber sofort inne, als sie zurückkam. Das Kinn hochgereckt, gab sie ihm seine Jacke. Sein konzentrierter, bohrender Blick hatte sofort ihr Gesicht gefunden. Sie lief rot an. Sie hasste es, aber ihre Gesichtsfarbe ließ sich einfach nicht unter Kontrolle halten, wenn sie in Verlegenheit geriet.

Er schlüpfte in seine Jacke und deutete auf die Tür. »Gehen wir.«

Sasha trat einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf. »Es ist alles wieder in Ordnung. Ich war nur vorübergehend ein bisschen durcheinander, aber es geht mir gut. Ich gehe einfach nach Hause und lege mich ins Bett.«

Für einen Moment herrschte Schweigen. Er rührte sich nicht, starrte sie nur an. Warum um alles in der Welt hatte sie gesagt, sie lege sich »ins Bett«? Nun konnte sie die Vorstellung von einem nackten Giovanni in ihrem Bett nicht mehr aus dem Kopf bekommen, und die Röte ihrer Wangen wurde noch tiefer. Schlimmer noch, er sah sie an wie ein Raubtier, das im Begriff war, sich auf seine Beute zu stürzen und sie zu verschlingen – und die Beute war sie. Ein leichter Schauer kroch ihr über den Rücken.

»Sasha, Sie haben zugestimmt, mit mir zu essen. Ich bin hungrig und möchte mit Ihnen über diesen Vorfall reden. Das war ein sexueller Übergriff. Von einer Art, wie man ihn nicht einfach auf sich beruhen lassen darf. Außerdem hätte die Security an unseren Tisch kommen müssen, als Sie sich nicht wohlgefühlt haben. Das Gleiche gilt für Aarons Tisch. Wir müssen dieses Gespräch führen. Ich möchte, dass Sie sich an Ihrem Arbeitsplatz sicher fühlen. Diese beiden Dinge können wir doch miteinander verbinden.« Wieder zeigte er auf die Tür. »Lassen Sie uns gehen.«

Hatte sie zugestimmt? Sie wusste es wirklich nicht. Im Pausenraum hatte sie ihr Trinkgeld gezählt und festgestellt, dass sie ein kleines Vermögen verdient hatte. Das war mehr, als sie je in einem Monat einzunehmen gehofft hatte, erst recht an einem einzigen Abend. Sie brauchte das Geld dringend, und das war ihr verhasst. Sie wollte nicht an so einem Ort arbeiten, umgeben von Leuten, die sie nicht verstand. Und sie wollte auch nicht, dass irgendjemand dachte, sie wäre hinter den Eigentümern des Clubs her. Doch sie hatte keine Wahl. Im Moment war das Geld alles, worauf es ankam.

Gleich zweimal hatte er erwähnt, dass die Security an seinen Tisch hätte kommen müssen, beinahe, als wäre er wütend, dass das nicht passiert war. Vielleicht wäre es wirklich gut, mehr zu erfahren. Sollten die ihre Mitarbeiter auf die Probe stellen, indem sie ein bestimmtes Benehmen an den Tag legten, damit sie herausfinden konnten, wie gut die Leute ihre Arbeit machten, dann musste sie das wissen, wenn sie weiter dort arbeiten sollte.

Vor Giovanni verließ sie den Raum und ging zu der Hintertür, die zum Mitarbeiterparkplatz führte. Sie wünschte, sie hätte einen Wagen und könnte einfach wegfahren, aber sie war mit dem Bus gekommen, weil sie sich kein Auto leisten konnte. Die ganze Zeit hielt sie den Kopf gesenkt, auch dann noch, als er ihr die Hand ins Kreuz legte, deren Wärme sogleich...