Blutopfer - Black Dagger 2

von: J. R. Ward

Heyne, 2011

ISBN: 9783641066871 , 320 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 6,99 EUR

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Blutopfer - Black Dagger 2


 

1


Kurz vor sechs hielt Butch vor Beths Haus. Irgendwann würde er den Dienstwagen abgeben müssen, aber suspendiert hieß noch nicht gefeuert. Sie müssten schon um das verdammte Auto bitten, um es zurückzubekommen.

Er war bei beiden Kampfkunststudios gewesen und hatte mit den Leitern gesprochen. Einer war widerlich gewesen, ein durchgeknalltes Selbstverteidigungs–Arschloch, der sich wohl für einen echten Asiaten hielt, obwohl er so weiß wie Butch war.

Der andere Mann hatte schlicht und ergreifend unheimlich gewirkt. Er hatte ausgesehen wie ein Milchmann aus den 50er Jahren, mit blonden, pomadisierten Haaren und einem strahlenden, nervigen Lächeln wie in einer Zahnpasta-Werbung. Der Kerl hatte sich diensteifrig über seinen Schreibtisch gebeugt, doch irgendetwas stimmte mit ihm nicht. Butchs eingebauter Bullshit-Detektor hatte Alarm geschlagen, sobald Mr Mayberry nur den Mund aufgemacht hatte.

Butch sprang die Stufen zu Beths Haus hinauf und drückte auf die Klingel.

Er hatte ihr im Büro und zu Hause auf die Mailbox gesprochen, dass er vorbeikommen wolle. Gerade wollte er noch mal klingeln, als er sie durch die Glastür in die Eingangshalle kommen sah.

Herr im Himmel.

Sie trug ein schwarzes Etuikleid, von dem er sofort wieder Kopfschmerzen bekam, so perfekt passte es zu ihr. Der V-Ausschnitt war tief und ließ den Brustansatz erkennen. Der schmale Schnitt brachte ihre schlanken Hüften wunderschön zur Geltung. An der Seite war das Kleid hoch geschlitzt, so dass bei jedem Schritt ein blasser Oberschenkel aufblitzte. Sie trug hohe Absätze, wodurch ihre Fesseln zart und elegant wirkten.

Als sie aufhörte, in ihrer Handtasche zu kramen und aufblickte, schien sie überrascht zu sein, ihn zu sehen.

Sie trug ihr Haar hochgesteckt. Er stellte sich vor, wie es wohl wäre, die Haarnadeln herauszuziehen und sich die Strähnen über die Finger fallen zu lassen.

Sie öffnete die Tür. »Butch.«

»Hi.« Er brachte kein Wort heraus, wie ein schüchterner Schuljunge.

»Ich habe deine Nachrichten bekommen«, sagte sie leise.

Er trat zurück, damit sie herauskommen konnte. »Hast du kurz Zeit?«

Er wusste schon, was sie antworten würde.

»Jetzt ist es gerade schlecht.«

»Wohin gehst du?«

»Ich habe eine Verabredung.«

»Mit wem?«

Sie sah ihm so betont ruhig in die Augen, dass er wusste, sie würde ihn gleich anlügen.

»Niemand Besonderes.«

Ja, klar.

»Was ist mit dem Mann von letzter Nacht, Beth? Wo ist er?«

»Ich weiß es nicht.«

»Du lügst.«

Ihre Augen hielten seinem Blick stand. »Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest –«

Er griff nach ihrem Arm. »Geh nicht zu ihm.«

Das leise Geräusch eines Motors durchbrach die angespannte Stille zwischen ihnen. Ein großer schwarzer Mercedes mit getönten Scheiben hielt neben ihnen an. Ein richtiges Drogenbaron-Gefährt.

»Ach, Scheiße, Beth.« Er hielt sie am Arm fest, verzweifelt versuchte er, sie zu überzeugen. »Mach das nicht. Das ist Beihilfe zu einem Verbrechen.«

»Lass mich los, Butch.«

»Er ist gefährlich.«

»Du etwa nicht?«

Er ließ sie los.

»Morgen«, sagte sie und machte einen Schritt rückwärts. »Wir reden morgen. Komm nach der Arbeit hierher.«

Panisch verstellte er ihr den Weg. »Beth, ich kann dich nicht –«

»Willst du mich verhaften?«

Als Polizist konnte er das nicht tun. Nicht, solange er nicht wieder im Dienst war.

»Nein.«

»Vielen Dank.«

»Das ist kein Gefallen«, sagte er bitter, als sie um ihn herumging. »Beth, bitte.«

Sie blieb stehen. »Nichts ist so, wie es scheint.«

»Ich weiß nicht. Für mich ist das Bild ziemlich klar und eindeutig. Du schützt einen Killer, und die Chancen stehen nicht schlecht, dass du selbst bald in einer Holzkiste landest. Begreifst du denn nicht, was das für ein Typ ist? Ich habe sein Gesicht von nahem gesehen. Als seine Hand um meinen Hals lag, und er mir das Leben aus dem Leib gequetscht hat. Einem Mann wie dem liegt das Töten im Blut. Es liegt in seiner Natur. Wie kannst du zu ihm gehen? Verdammt, wie kannst du ihn auf die Menschheit loslassen?«

»Er ist nicht so.«

Doch die Worte klangen eher wie eine Frage.

Die Autotür ging auf, und ein kleiner alter Mann im Frack stieg aus.

»Herrin, gibt es irgendwelche Schwierigkeiten?«, fragte der Mann dienstbeflissen, während er gleichzeitig Butch einen bösen Blick zuwarf.

»Nein, Fritz. Kein Problem.« Sie lächelte, aber es geriet etwas schief. »Morgen, Butch.«

»Wenn du dann noch lebst.«

Sie wurde bleich, ging aber schnell die Stufen hinunter und stieg in den Wagen.

Wenig später setzte sich Butch in sein eigenes Auto. Und folgte ihnen.

 

Als er in den Salon trat, lauschte er. Die Stille war vermutlich für alle gut. Er musste sich zusammenreißen.

Ruhelos schlich er im Haus herum, blieb vor dem Esstisch stehen. Er war so gedeckt worden, wie er es gewollt hatte. Zwei Gedecke an einem Ende. Kristall und Silber. Kerzen.

Und er hatte seinen Bruder erbärmlich genannt?

Wäre das nicht alles Darius’ unbezahlbarer Krempel gewesen, er hätte mit einer Armbewegung alles vom Tisch gewischt. Seine Hand schoss nach vorn, als wollte sie dem Impuls einfach trotzdem nachgeben, aber die Jacke bremste ihn. Gerade packte er das Revers mit beiden Händen und wollte sich den edlen Zwirn einfach vom Leib reißen und ihn verbrennen, da öffnete sich die Eingangstür. Er drehte sich um.

Da war sie. Sie kam über die Schwelle und schritt in die Eingangshalle.

Wraths Hände sanken nach unten.

Sie trug Schwarz. Ihr Haar war aufgesteckt. Sie duftete … wie eine nachtblühende Rose. Er atmete durch die Nase ein, sein Körper wurde hart, seine Instinkte verlangten, sie unter sich zu spüren.

Doch da trafen ihn ihre Gefühle. Sie war argwöhnisch, nervös. Er konnte ihr Misstrauen eindeutig spüren und empfand eine perverse Befriedigung, als sie zögerte, ihn anzusehen.

Seine Wut kehrte zurück. Mit aller Wucht.

Fritz schloss diensteifrig die Tür, der Doggen strahlte eine Heiterkeit aus, die glänzte wie Sonnenschein. »Ich habe Wein im Salon bereitgestellt. In etwa dreißig Minuten werde ich den ersten Gang servieren, wenn es Euch recht ist.«

»Nein«, befahl Wrath. »Wir setzen uns sofort an den Tisch.«

Fritz schien irritiert, erkannte dann aber offensichtlich Wraths Gefühlslage.

»Wie Ihr wünscht, Herr. Sofort.« Der Butler verschwand so rasch, als würde es in der Küche brennen.

Wrath starrte Beth unverwandt an.

Sie machte einen Schritt zurück. Wahrscheinlich wegen seines wütenden Blicks.

»Du siehst … anders aus«, sagte sie. »In diesen Sachen.«

»Falls du glaubst, sie hätten mich gezähmt, dann täuschst du dich.«

»Tu ich nicht.«

»Gut. Dann bringen wir das jetzt hinter uns.«

Wrath ging ins Esszimmer. Sie würde ihm schon nachkommen, wenn sie wollte. Und wenn nicht? Verflucht, dann wäre es vermutlich für alle Beteiligten besser. Er hatte es sowieso nicht eilig, am Tisch festzusitzen.

Beth sah Wrath nach. Er schlenderte in den Salon, als gäbe er einen Dreck darauf, ob sie mit ihm essen würde oder nicht.

Hätte sie nicht selbst schon Bedenken gegen diesen Plan gehabt, wäre sie zutiefst gekränkt gewesen. Er hatte sie zum Essen eingeladen. Warum war er dann jetzt so miserabel gelaunt, als sie auftauchte? Sie war in Versuchung, sich einfach wieder aus dem Staub zu machen.

Doch sie folgte ihm ins Esszimmer, weil sie das Gefühl hatte, keine Wahl zu besitzen. Es gab so viele Dinge, die sie erfahren wollte, Dinge, die nur er ihr erklären konnte.

Obwohl sie – Gott war ihr Zeuge – diese Informationen liebend gern von jemand anderem bekommen hätte.

Als sie hinter ihm herlief, konzentrierte sie sich auf seinen Hinterkopf und versuchte, seinen kraftvollen Gang zu ignorieren. Sie scheiterte kläglich. Er bewegte sich einfach zu perfekt. Bei jedem Aufsetzen seiner Ferse verlagerten sich seine Schultern unter dem teuren Jackett, um den Schub der Beine auszugleichen. Seine Arme schwangen zwar entspannt an seiner Seite, aber sie wusste, dass seine Oberschenkel sich bei jedem Schritt anspannten. Sie stellte ihn sich nackt vor, das Spiel seiner Muskeln unter der Haut.

Butchs Stimme ertönte in ihrem Kopf. Einem Mann wie diesem liegt das Töten im Blut. Es liegt in seiner Natur.

Und doch hatte Wrath sie letzte Nacht weggeschickt, als er eine Gefahr für sie dargestellt hatte.

Es hatte einfach keinen Zweck, diese Widersprüche miteinander vereinen zu wollen. Genauso gut hätte sie versuchen können, die Zukunft aus Kaffeesatz zu lesen. Sie musste sich einfach auf ihre Intuition verlassen, und die sagte ihr, dass Wrath momentan die einzige Unterstützung war, die sie hatte.

Als sie ins Esszimmer trat, versetzte sie der wunderschön gedeckte Tisch in Erstaunen. In der Mitte standen Blumen, weiße Nachthyazinthen und Orchideen. Elfenbeinfarbene Kerzen brannten in silbernen Leuchtern zwischen schimmerndem Porzellan und kostbarem Besteck.

Wrath kam um den Tisch und zog einen Stuhl für sie heraus. Er ragte über dem Stuhl auf, während er wartete, bis sie sich setzte.

Gott, er sah wirklich fantastisch aus in diesem Anzug. Der offene Hemdkragen gab seinen Hals frei, und durch die schwarze Seide wirkte seine Haut leicht getönt. Schade eigentlich, dass er so stinksauer war. Sein Gesichtsausdruck war unnahbar, und das zurückgebundene Haar betonte...