Vorsicht, frisch verliebt! - Roman

von: Susan Elizabeth Phillips

Blanvalet, 2012

ISBN: 9783641087876 , 448 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 8,99 EUR

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Vorsicht, frisch verliebt! - Roman


 

2


Lorenzo Gage verfügte über eine verderbte Attraktivität. Er hatte dichtes, samtig dunkles Haar und silberblaue Augen, die so kalt und stechend blickten wie die eines wilden Tieres. Seine schmalen schwarzen Brauen schossen pfeilgleich in die Höhe, und mit seiner hohen Stirn wirkte er aristokratisch, doch zugleich korrupt. Seine Lippen waren grausam sinnlich, und seine Wangenknochen sahen aus, als hätte er sie mit dem Messer, das er in der Hand hielt, meisterhaft geschnitzt.

Gage verdiente seinen Lebensunterhalt mit dem Töten anderer Menschen. Vorzugsweise Frauen. Wunderschöner Frauen. Er schlug sie, quälte sie, missbrauchte sie und brachte sie am Ende um. Manchmal schoss er ihnen geradewegs ins Herz. Manchmal jedoch wurden sie regelrecht zerstückelt. Augenblicklich war Letzteres der Fall.

Das rothaarige Mädchen, das in seinem Bett lag, trug nur noch seine Dessous. Seine Haut hob sich schimmernd von dem schwarzen Satintuch ab. »Du hast mich betrogen«, erklärte er mit ruhiger Stimme. »Ich mag es nicht, wenn Frauen mich betrügen.«

Ihre grünen Augen füllten sich mit Tränen des Entsetzens. Umso besser, dachte er.

Er beugte sich ein wenig vor und schob mit der Spitze seines Dolchs die Decke von ihrem Schenkel. Schreiend rollte sie sich auf die Seite, sprang vom Bett und schoss in Richtung Tür.

Er mochte es, wenn sie sich wehrten, und ließ sie deshalb die Tür erreichen, ehe er sie wieder einfing. Sie versuchte verzweifelt, sich ihm zu entwinden, doch als ihr Widerstand ihn nicht mehr reizte, schlug er ihr mit dem Handrücken mitten ins Gesicht. Der kräftige Schlag schleuderte sie zurück aufs Bett. Sie fiel rücklings auf die Matratze und lag keuchend und mit weit gespreizten Schenkeln völlig wehrlos da. Abgesehen von einem leisen erwartungsvollen Flackern seiner Augen zeigte er nicht die geringste Regung. Dann verzog er seine Lippen zu einem brutalen Lächeln und öffnete mit einer Hand die silberne Schnalle seines Gürtels.

Gages Magen zog sich zusammen. Er konnte Grausamkeiten einfach nicht ertragen und wusste, anders als die anderen Kinogänger, was als Nächstes kam. Er hatte gehofft, die italienische Synchronisation lenke ihn genügend von dem Gemetzel auf der Leinwand ab. Doch die Überreste eines schlimmen Katers hatten sich zusammen mit einem ernsten Fall von Jetlag gegen ihn verschworen. Es war einfach ätzend, Hollywoods beliebtester Psychopath zu sein.

Früher hatte John Malkovich den Part innegehabt, doch sobald die Öffentlichkeit Ren Gage gesehen hatte, hatte sie mehr von diesem Schurken mit dem Gesicht, für das man sterben würde, begehrt. Bis heute Abend hatte er Die Allianz des Schlachtens weiträumig gemieden, da sein Film jedoch von der Kritik nur leicht verabscheut worden war, hatte er beschlossen, so schlimm könnte es nicht sein. Was eindeutig eine Fehleinschätzung gewesen war.

Vergewaltiger, Serienmörder, Auftragskiller. Dies waren echt keine angenehmen Jobs. Neben den zahllosen Frauen, die er missbraucht und am Schluss getötet hatte, hatte er bereits Mel Gibson gefoltert, Ben Affleck einen Wagenheber in die Kniescheibe gerammt, Pierce Brosnan eine beinahe tödliche Brustverletzung zugefügt und Denzel Washington in einem atomar betriebenen Hubschrauber gejagt. Er hatte sogar Sean Connery ermordet. Wofür er sicher in der Hölle schmoren würde. Niemand tat Sean Connery ungestraft etwas an.

Doch vor Ende des jeweiligen Films zahlten ihm die Stars seine Attacken für gewöhnlich doppelt und dreifach heim. Ren war bereits erdrosselt worden, verbrannt, geköpft, kastriert  – wobei er von Letzterem besonders betroffen gewesen war. Und jetzt wurde er, weil er Amerikas Filmschätzchen in den Selbstmord getrieben hatte, öffentlich gevierteilt. Nur – einen Augenblick – das war das wahre Leben, oder etwa nicht? Sein ureigenes, allzu reales, total beschissenes Leben.

Von dem Geschrei auf der Leinwand dröhnte ihm der Schädel. Er hob gerade rechtzeitig den Kopf, um das Blut spritzen zu sehen, als der Rotschopf endgültig ins Gras biss. Pech gehabt, Schätzchen. Das ist eben der Preis, den man dafür zahlt, dass man sich von einem hübschen Gesicht den Kopf verdrehen lässt.

Weder sein Schädel noch sein Magen hielten es länger aus, und so schlich er lautlos aus dem dunklen Kino. Seine Filme waren internationale Renner, und als er sich unter die Menschen mischte, die die milde Abendluft genossen, sah er sich vorsichtig um. Niemand schien ihn zu erkennen, denn Einheimische und Touristen waren ganz auf den Genuss des fröhlichen Florentiner Treibens konzentriert.

Gut. Das Letzte, was er wollte, war ein Gespräch mit irgendwelchen Fans. Also hatte er sich, obgleich er in der letzten Nacht kaum Schlaf bekommen hatte, vor Verlassen seines Zimmers extra Zeit genommen, um sein Aussehen zu verändern. Seine berühmten silberblauen Augen hatte er hinter braunen Kontaktlinsen versteckt, und seine dunklen Haare – die er für die zwei Tage zuvor in Australien beendeten Dreharbeiten zu seinem jüngsten Film hatte wachsen lassen müssen – hingen offen über seine Schultern. Außerdem hatte er sich absichtlich nicht rasiert, weil er hoffte, dass unter den Stoppeln das fein gemeißelte Kinn – ein Erbteil seiner Vorfahren, der Medici – nicht zu erkennen war. Zwar hätte er lieber abgewetzte Jeans getragen, hatte sich aber mit der eleganten Kleidung eines wohlhabenden Italieners kostümiert: schwarzes Seidenhemd, dunkle Hose, elegante Slipper, von denen einer einen Kratzer hatte, weil er in Bezug auf Kleidung ebenso nachlässig wie in Bezug auf andere Menschen war. Das Verlangen, unerkannt zu bleiben, war eine relativ neue Erfahrung. Normalerweise stand er gern im Rampenlicht. Nur halt jetzt gerade nicht.

Er sollte zurückkehren ins Hotel und bis zum nächsten Mittag schlafen, doch dazu war er zu rastlos. Wenn seine Kumpel hier gewesen wären, hätte er vermutlich irgendeinen Nachtclub aufgesucht, na ja, vielleicht auch nicht. Selbst die Kneipenszene hatte ihren Reiz verloren. Unglücklicherweise jedoch war er ein Nachtmensch und hatte bis jetzt noch nicht herausgefunden, wie sich die Zeit bis zum morgendlichen Dämmer anders als mit wilden Partys herumbringen ließ.

Aus dem Schaufenster eines Metzgers starrte ihm ein ausgestopfter Wildschweinkopf entgegen, und hastig wandte er sich ab. Die letzten Tage waren fürchterlich gewesen. Karli Swenson, seine Ex und zugleich eine der beliebtesten Jungschauspielerinnen Hollywoods, war letzte Woche in ihrem Haus am Strand von Malibu tot aufgefunden worden. Karli hatte lange Kokain genommen, also nahm er an, dass ihr Selbstmord Folge ihres Drogenmissbrauchs war, was ihn derart wütend machte, dass er immer noch keine echte Trauer um sie empfand. Eins wusste er hundertprozentig – seinetwegen hatte sie sich nicht umgebracht.

Selbst als sie noch ein Paar gewesen waren, hatte sich Karli viel mehr für das Koksen als für ihren Partner interessiert. Doch das Publikum hatte sie vergöttert, und die Revolverblätter wollten eine aufregendere Story als die von dem jungen Mädchen, das an Drogen zugrunde gegangen war. Also waren sie zu dem Schluss gekommen, dass er der Grund für ihren Selbstmord gewesen war. Hollywoods böser Bube, dessen herzloser Umgang mit Frauen die liebreizende Karli in ihr Grab getrieben hatte.

Da derartige Geschichten seine Karriere vorangetrieben hatten, konnte er den Medien dieses Vorgehen nicht verdenken. Trotzdem war es störend, plötzlich wegen einer derart unangenehmen Story im Mittelpunkt zu stehen. Deshalb hatte er beschlossen, sich etwas im Hintergrund zu halten, bis er in sechs Wochen mit den Dreharbeiten zu seinem nächsten Film begann.

Ursprünglich hatte er geplant, eine alte Freundin anzurufen, mit ihr in die Karibik zu fliegen und sein Sexualleben, das bereits seit ein paar Monaten auf Eis lag, wieder auf Vordermann zu bringen. Doch der Aufruhr wegen Karlis Tod hatte ihn dazu bewogen, größeren Abstand zu Amerika zu suchen, weshalb er stattdessen lieber nach Italien geflogen war. Es war nicht nur das Land seiner Vorfahren, sondern auch der Ort, an dem die Arbeit zu seinem nächsten Film begann. Also konnte er sich gleichzeitig schon mal an die hiesige Atmosphäre gewöhnen und in die Haut des Mannes schlüpfen, den er während der nächsten Dreharbeiten darstellen würde. Zu diesem Zweck war es auch von Vorteil, dass er ohne irgendeine publicitysüchtige Exfreundin hier war.

Verdammt. Bis der Aufruhr wegen Karlis Selbstmord in ein paar Wochen verklungen wäre, hielte er es ja wohl ein paar Wochen ohne Frau und ohne irgendwelche Kumpel aus. Der Gedanke, unerkannt herumzureisen, war noch derart neu, dass er ihn als durchaus anregend empfand.

Er hob den Kopf und merkte, dass er ins Zentrum von Florenz gelaufen war und sich inzwischen mitten auf der belebten Piazza della Signoria befand. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er zum letzten Mal allein gewesen war. Er schlenderte über das Kopfsteinpflaster hinüber zu Rivoire und fand einen Tisch unter der Markise. Der Ober erschien, um seine Bestellung aufzunehmen. Um seinen mächtigen Kater zu pflegen, hätte er ein Sodawasser bestellen sollen, doch er tat nur selten, was die Vernunft ihm riet, weshalb er prompt eine Flasche des besten Brunello bei dem Mann in Auftrag gab. Der Ober brauchte eine Ewigkeit, bis er mit dem Wein zurückkam, und Ren musterte ihn sauer, als er endlich wieder auftauchte. Es gab allerdings viele Gründe für seine schlechte Laune: Schlafmangel, Alkohol, die Tatsache, dass er hundemüde war, den Tod der süßen, unglücklichen Karli und das allgemeine Gefühl, dass das Rampenlicht, in dem er stand, lange noch nicht hell genug war, dass all das Geld, das er verdiente, und all der Ruhm,...