Erkrankungen der Amphibien

von: Frank Mutschmann

Enke, 2009

ISBN: 9783830411178 , 344 Seiten

2. Auflage

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 21,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Erkrankungen der Amphibien


 

2 Physiologie und Pathophysiologie (S. 20)

“In many ways, the environmental physiology of amphibians is organismal biology in microcosm”. M.E. Feder & W.W. Burggren (1992)

In diesem Kapitel werden grundlegende Aspekte erläutert, die Amphibien zur Homöostase und Aufrechterhaltung der körperlichen Integrität befähigen. Es ist an dieser Stelle nichtmöglich auf Details einzugehen, vielmehr soll das allgemeine Verständnis für die Besonderheiten der Amphibien imVergleich zu höheren, warmblütigenWirbeltieren vertieft werden.

Die Kenntnis dieser Besonderheiten stellt die Basis dar, die es einem Tierarzt ermöglicht, pathologische Veränderungen zu erkennen, eine fundierte Diagnostik durchzuführen und eine Therapie einzuleiten. Die einzelnen Abschnitte lassen sich nicht losgelöst voneinander betrachten, sondern die dargelegten Prozesse sind engmiteinander verflochten und beeinflussen sich gegenseitig.

Die Unterteilung erfolgt lediglich aus didaktischen Gründen und dient einer besseren Übersicht. Für manche (auch medizinische) Fragestellungen wird es notwendig sein, tiefer in die Materie einzudringen. Für diese Fälle sei auf Spezialliteratur verwiesen [205], [768].

2.1 Temperaturregulation

Die Temperatur hat aufgrund der Morphologie der Amphibien, besonders die der äußerst permeablen äußeren Haut, den größten Einfluss auf die Lebensweise und das Verhalten von Amphibien.

Temperatureinflüsse regeln nicht nur individuelle Stoffwechselabläufe, sondern sind das Hauptkriterium für die weltweite Verbreitung von Amphibien, ihre Aktivitätszyklen, die Reproduktion und sämtliche Interaktionen im Ökosystem.

Als wechselwarme (poikilotherme) Wirbeltiere sind sie in hohem Maße von der Umgebungstemperatur, namentlich von der Temperatur des Untergrundes, abhängig und verfügen nur über wenige Möglichkeiten, die Körpertemperatur selbst stabil zu halten. Aus diesem Grund wird gelegentlich auch der Terminus „ektotherm“ verwendet.

Temperatureinflüsse sind für alle Entwicklungsstadien der Amphibien von Bedeutung. Bedingt durch die zumeist extrakorporale Befruchtung der Gelege und Entwicklung der Nachkommen, stellt die Umgebungstemperatur einen wesentlichen Faktor für den Reproduktionserfolg dar.

Darauf ausgerichtet weist bereits die chemische Zusammensetzung und die Struktur der die Eizellen umschließenden Gallerte artspezifische Besonderheiten auf. Im Verlauf der Embryonal- bzw. Larvalentwicklung haben thermische Einflüsse ebenfalls eine hervorragende Bedeutung, bis hin zur Geschlechtsdeterminierung.

So konnte festgestellt werden, dass entgegen genotypischer Merkmale die Umgebungstemperatur das phänotypische Geschlecht bei Salamandern bestimmt (Spanischer Rippenmolch [Pleurodeles waltl], Algerischer Rippenmolch [Pl. poireti]) [173]. Es ist Amphibien nicht gegeben, mittels metabolischer Prozesse die Körpertemperatur über die Umgebungstemperatur hinaus zu steigern. Dennoch haben die verschiedenen Arten Mechanismen entwickelt, die ihnen eine gewisse Temperaturregulation ermöglichen.

Erstaunlicherweise ist in den vergangenen Jahren intensiver Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der Thermoregulation bei Poikilothermen den Amphibien eine geringere Aufmerksamkeit als etwa Fischen oder Reptilien gewidmet worden. Dies ist wohl auch der Komplexität der Problematik bei diesen Tieren geschuldet (sowohl aquatische als auch terrestrische Lebensweise, drüsenreiche Haut und wesentlicher transkutaner Gasaustausch, Metamorphose etc.).

Amphibien können eine breite Toleranz gegenüber der Umgebungstemperatur aufweisen und sind in der Lage, selbst bei Temperaturen um den Gefrierpunkt aktiv zu sein, im Gegensatz zu den meisten ebenfalls wechselwarmen Reptilien. Bedingt durch die Hautpermeabilität verfügen sie im Vergleich zu Reptilien generell über präzisere Möglichkeiten der Temperaturregulation.

Die Evaporation stellt ein wichtiges Element der Temperaturregulierung dar, es besteht ein enger Zusammenhang mit der Regulation des Flüssigkeitshaushaltes. Am Beispiel zweier baumlebender Froschlurchspezies (Chiromantis xerempelina, Phyllomedusa sauvagei) zeigte sich, dass dehydrierte Tiere deutlich niedrigere Vorzugstemperaturen aufwiesen als gut hydrierte Artgenossen [665], [665].

Die Unterschiede der Vorzugstemperaturen betrugen in etwa 5 °C. Dieser durch Evaporation erzielte „Vorteil“ der Amphibien gegenüber den Reptilien erweist sich unter ariden Bedingungen jedoch als evolutionärer Negativfaktor, was sich in der Artenvielfalt der Reptilien in solchen Gebieten widerspiegelt.