Mitternachtsfalken - Roman

von: Ken Follett

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2010

ISBN: 9783838703442 , 544 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Mitternachtsfalken - Roman


 

Teil 4 (S. 338-339)

Harald wusste, dass er von der Polizei gesucht wurde. Seine Mutter hatte ein zweites Mal in Kirstenslot angerufen, angeblich, um Karen Tag und Stunde von Arnes Begräbnis mitzuteilen. Im Laufe des Gesprächs hatte sie erwähnt, dass sie von der Polizei nach Haralds Aufenthaltsort gefragt worden war. »Aber da ich nicht weiß, wo er ist, konnte ich es ihnen nicht sagen«, hatte sie erklärt. Das war eine klare Warnung gewesen. Harald bewunderte seine Mutter, dass sie den Mut dazu gefunden hatte und dabei auch noch so clever gewesen war, sich auszurechnen, dass Karen die Nachricht vermutlich an den richtigen Adressaten weitergeben würde.

Doch trotz der Warnung musste Harald die Flugschule aufsuchen. Damit er nicht seinen auffälligen Schulblazer anziehen musste, erleichterte Karen die elterliche Garderobe um einige Kleidungsstücke, die ihr Vater schon seit Jahren nicht mehr trug. Harald zog ein fantastisch leichtes amerikanisches Sportjackett an, setzte sich eine Leinenmütze auf den Kopf und eine Sonnenbrille auf die Nase. Am Ende seiner Verwandlung sah er einem millionenschweren Playboy ähnlicher als einem flüchtigen Spion.

Dennoch war er hochgradig nervös, als er in Kirstenslot den Zug bestieg. Er kam sich in dem Eisenbahnwaggon wie in einer Falle vor, denn bei einer unerwünschten Begegnung mit einem Polizisten konnte er nicht einmal weglaufen. In Kopenhagen sah er auf dem kurzen Fußweg zwischen Vesterport-Bahnhof und der Hauptstrecke keinen einzigen uniformierten Polizisten. Schon wenige Minuten später saß er in einem Zug nach Vodal. Auf der Fahrt dachte er an seinen Bruder. Alle hatten geglaubt, dass Arne für Aktivitäten im Widerstand ungeeignet wäre: Zu verspielt sei er, zu sorglos, vielleicht nicht tapfer genug.

Und dann hatte sich herausgestellt, dass er der größte Held von allen war. Allein der Gedanke daran trieb Harald die Tränen in die hinter der Sonnenbrille verborgenen Augen. Renthe, der Flugplatzkommandant, erinnerte ihn an Heis, den Direktor seiner Schule. Beide Männer waren groß, dünn und langnasig. Die Ähnlichkeit machte es Harald schwer, Renthe zu belügen. »Ich bin hier, weil ich … äh … die Sachen meines Bruders holen will«, sagte er, »die privaten Dinge.

Wenn es Ihnen recht ist …« Renthe schien seine Verlegenheit nicht zu bemerken. »Selbstverständlich«, erwiderte er. »Hendrik Janz, einer von Arnes Kameraden, hat schon alles zusammengepackt. Es handelt sich lediglich um einen Koffer und einen Seesack.« »Vielen Dank.« Harald war an Arnes Habseligkeiten gar nicht interessiert. Er hatte nur eine Ausrede gebraucht, um auf das Gelände der Flugschule zu kommen. In Wirklichkeit ging es ihm um fünfzehn Meter Stahlseil, die ihm für die Hornet Moth noch fehlten. Und dies hier war vermutlich die einzige Stelle, wo an so etwas heranzukommen war.