Gejagte der Nacht - Guardians of Eternity 9 - Roman

von: Alexandra Ivy

Diana Verlag, 2013

ISBN: 9783641103125 , 464 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 8,99 EUR

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Gejagte der Nacht - Guardians of Eternity 9 - Roman


 

Kapitel 1


Die verlassene Silbermine in der Mojave-Wüste war nicht unbedingt der nächste Ort, an dem man erwarten würde, Styx zu begegnen, dem gegenwärtigen Anasso.

Dieses Muskelpaket mit seinen zwei Metern Größe und der herben Schönheit seiner aztekischen Vorfahren war nicht nur der König aller Vampire, sondern außerdem einer der mächtigsten Dämonen der Welt.

Er verfügte über das luxuriöseste Versteck der Gegend, in dem ein Dutzend Bedienstete eifrig seine Befehle befolgte. Dennoch wünschte er, seine Reise nach Nevada ebenso diskret wie kurz zu halten, und hatte daher die Proteste seines Kameraden ignoriert und sich dafür entschieden, den Tag in den vergessenen Höhlen zu verbringen, um dort das Zusammentreffen mit dem örtlichen Clanchef abzuwarten.

Und wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, stellte es für ihn eine Erleichterung dar, sich nicht an die offizielle Zeremonie halten zu müssen, die seine Position von ihm verlangte. Er war schließlich ein wildes Raubtier, kein verdammter Politiker, und die Notwendigkeit sich gut zu benehmen, widerstrebte ihm zutiefst.

Noch dazu war es ihm stets ein Vergnügen, Viper zu triezen.

Styx warf kurz einen prüfenden Blick auf die verlassene Wüste, von der sie umgeben waren, und klopfte sich geistesabwesend den Staub von seiner Lederhose, die in einem Paar schwerer Stiefel steckte. Ein schwarzes T-Shirt umspannte seinen breiten Brustkorb, und ein winziges Amulett, das auf einen Lederstreifen gezogen war, hing um seinen muskulösen Hals. Dies war sein einziger Schmuck, abgesehen von den polierten Türkissteinen, die in sein dunkles Haar eingeflochten waren, das ihm bis zu den Kniekehlen reichte.

In seinen dunklen Augen glomm das goldene Licht der Macht in der Abenddämmerung, die allmählich in Dunkelheit überging, als er sich schließlich seinem Kameraden zuwandte. Dabei konnte er sich ein Lächeln kaum verkneifen. Im Gegensatz zu ihm hegte nämlich Viper, der Clanchef Chicagos, keine Vorliebe für das einfache Leben.

Da dieser in einen schwarzen Samtmantel, der ihm bis zu den Knien reichte, gekleidet war und darüber hinaus ein weißes Rüschenhemd und eine schwarze Hose trug, erweckte es den Anschein, als befände er sich auf dem Weg zum nächsten Ballsaal. Dieser Eindruck wurde durch sein langes blasssilbernes Haar in der Farbe des Mondlichtes, das ihm offen über den Rücken fiel, und seine verblüffend mitternachtsschwarzen Augen nur noch verstärkt.

Styx war rohe, wilde Macht.

Viper war ein edler gefallener Engel, der allerdings kein bisschen weniger tödlich war.

Mit einem demonstrativen Blick in Richtung der Skyline von Las Vegas, das wie ein Edelstein in der Ferne leuchtete, erwiderte Viper Styx’ Blick mit einer säuerlichen Grimasse.

»Wenn du das nächste Mal möchtest, dass ich dich auf eine Geschäftsreise begleite, Styx, darfst du meine Telefonnummer gerne verlieren.«

Styx wölbte eine dunkle Augenbraue. »Ich dachte, jeder liebe Vegas.«

»Aus diesem Grund habe ich dieser kleinen Exkursion auch zugestimmt.« Viper zog an seinen Spitzenmanschetten. Es gelang ihm, trotz der vielen Stunden, die er in der staubigen Höhle verbracht hatte, makellos zu wirken. »Du vergaßest nur zu erwähnen, dass ich mich in einer verdammten Mine statt in der Penthouse-Suite im Bellagio aufhalten würde.«

»Wir befanden uns bereits an schlimmeren Orten.«

»An schlimmeren?« Viper deutete auf die verrottenden Bretter, die ihre Aufgabe, den Eingang zum Tunnel zu verdecken, nur unzulänglich erfüllten. »Es war dreckig, es roch nach Fledermauskot, und die Temperatur lag einige Grade unter der der Sonnenoberfläche. Ich habe bereits Höllendimensionen besucht, in denen ich den Aufenthalt mehr genossen habe als den in diesem gottverlassenen Inferno.«

Styx schnaubte. Die beiden Vampire waren seit Jahrhunderten Freunde, eine bemerkenswerte Leistung, wenn man bedachte, dass es sich bei beiden um Alphatiere handelte. Aber im Lauf der vorangegangenen Monate war ihre freundschaftliche Verbindung sogar noch enger geworden, als sie nämlich gezwungen gewesen waren, der immer gefährlicher werdenden Welt ins Auge zu blicken.

Der Fürst der Finsternis, auch Höllenfürst oder Herr der Dunkelheit genannt – man könnte ihn beliebig mit einem der hundert Namen, mit denen er im Lauf der Jahrhunderte bedacht worden war, bezeichnen –, war vor langer Zeit erfolgreich aus dieser Dimension verbannt worden. Er war durch den Phönix in seinem Gefängnis festgehalten worden, einen mächtigen Geist, der von den Vampiren beschützt wurde. Aber er hatte sich geweigert, seine Gefangenschaft mit Anstand zu akzeptieren.

In den vorangegangenen Monaten war sein Streben, den Schleier zu zerreißen, der die Welten voneinander trennte, immer fieberhafter geworden. Dies hatte ihm nicht nur die Rückkehr ermöglicht, sondern auch allen Kreaturen, die die zahlreichen Höllen bewohnten, eine Freifahrkarte verschafft.

Erst vor wenigen Tagen hätte dieser Bastard beinahe Erfolg gehabt.

Indem er sich eines der Zwillinge bedient hatte, die er als Gefäße für seine große Wiederauferstehung erschaffen hatte, hatte er sich von einem formlosen Nebel in eine junge, menschenähnliche Frau verwandelt. Es war überaus unheimlich gewesen, das größte aller Übel in Gestalt einer hübschen Cheerleaderin zu erblicken.

Glücklicherweise war es Jaelyn gelungen, den Fürsten der Finsternis auszusaugen, bevor er den Schleier durchdringen konnte, aber Styx wusste, dass ihnen dies lediglich eine vorübergehende Schonfrist verschafft hatte.

Bis der Fürst der Finsternis vernichtet war, würde es keinen Frieden geben.

Und das war der Grund, weshalb er mit einem verärgerten Viper mitten in dieser Wüste stand, statt in den Armen seiner schönen Gefährtin zu erwachen.

»Du wirst im Alter so mild wie eine Tauelfe«, spottete er.

»Ich wurde nicht Clanchef, um im Schmutz zu wühlen wie ein Tier.«

»Sei nicht so ein Jammerlappen.«

Viper warf einen Blick auf die in der Ferne leuchtenden Lichter. »Erzählst du mir zumindest, weshalb wir nicht in einem der hundert Hotels unterkommen konnten, die nur wenige Kilometer entfernt liegen?«

Styx wandte sich um und musterte die scheinbar unbewohnte Landschaft. In Wahrheit war sie allerdings durchaus nicht unbewohnt. Zu seinen Füßen krabbelte eine Echse über einen Stein, ohne die Eule zu bemerken, die lautlos über ihr jagte, oder die Schlange, die ganz in ihrer Nähe zusammengerollt dalag. Etwas weiter entfernt folgte ein Kojote der Fährte eines Eselhasen.

Die typischen Bilder und Geräusche der Wüste. Er selbst war allerdings lediglich daran interessiert, Gewissheit zu erlangen, dass sich keine hässlichen Überraschungen in den Schatten verbargen.

»Ich ziehe es vor, keine unerwünschte Aufmerksamkeit zu erregen. Es sollte möglichst niemand unsere Anwesenheit in Nevada bemerken«, erklärte er. »Das wäre aber unvermeidbar, wenn du dich in einem Kasino blicken ließest.«

»Alles, was ich mir wünsche, sind eine warme Dusche, frische Kleidung und eine Eintrittskarte für die Donnie & Marie-Show.«

»Steht auf meiner Stirn vielleicht ›Dummkopf‹ geschrieben?« Styx drehte sich um, um seinen Freund mit einem wissenden Blick zu durchbohren. »Als du dich zuletzt in Las Vegas aufhieltest, hättest du beinahe das Flamingo Hotel finanziell ruiniert, und schließlich wurde dir vom Clanchef die Rückkehr in die Stadt untersagt.«

Ein nostalgisches Lächeln legte sich auf Vipers Lippen. »Ist es meine Schuld, dass ich am Würfeltisch eine Glückssträhne hatte? Oder dass Roke ein humorloser Erbsenzähler ist?«

Das Dröhnen eines Motorrades in der Ferne durchschnitt die drückende Nachtluft. »Da wir gerade von Roke sprechen …«, murmelte Styx.

Viper stieß einen leisen Fluch aus und trat neben Styx. »Mit ihm treffen wir uns also?«

»Ja.« Styx’ Augen verengten sich. »Versprichst du mir, dich zu benehmen?«

»Nein, aber ich verspreche dir, ihn nicht zu töten, wenn er nicht …«

»Viper.«

»Verdammt.« Viper verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich hoffe sehr, diese Angelegenheit ist wichtig.«

»Hätte ich wohl Darcy verlassen, wenn sie es nicht wäre?«, fragte Styx. Allein die Erwähnung seiner Gefährtin versetzte ihm einen winzigen sehnsuchtsvollen Stich ins Herz. Im Verlauf der vergangenen Monate war die schöne Werwölfin zum Mittelpunkt seines Lebens geworden.

Mit einem dröhnenden, kraftvollen Röhren brachte Roke seine Turbine zum Stillstand. Er glitt von der eleganten Maschine herunter und schritt auf die beiden zu.

Der Mann, der mit einer schwarzen Jeanshose, einer Lederjacke und Mokassinstiefeln, die ihm bis zu den Knien reichten, bekleidet war, war nicht so groß wie Styx, auch wenn beide die gleiche bronzefarbene Haut und das gleiche dunkle Haar besaßen, welches bei ihm die breiten Schultern streifte. Sein Gesicht war schmal, und er verfügte über die hohen Wangenknochen der amerikanischen Ureinwohner sowie über eine aristokratische Nase. Seine Stirn war breit und seine Lippen voll. Aber es waren seine Augen,...