Küss mich, Engel - Roman

von: Susan Elizabeth Phillips

Blanvalet, 2013

ISBN: 9783641107505 , 448 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 8,99 EUR

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Küss mich, Engel - Roman


 

2


Daisy kauerte in einer entfernten Ecke des Abflugschalters der USAir, in der winzigen Rauchersektion. Sie zog so hektisch an ihrer Zigarette, daß ihr ganz schwindlig wurde. Ihr Flug ging nach Charleston in South Carolina, wie sie entdeckt hatte, und das war eine ihrer Lieblingsstädte. Sie versuchte das als gutes Zeichen in einer Kette von Ereignissen zu nehmen, die von Minute zu Minute katastrophaler wurden.

Zuerst mal hatte sich der arrogante Mr. Markov geweigert, bei ihrem Plan mitzumachen. Dann hatte er ihr Gepäck sabotiert. Als der Chauffeur nur eine übervolle Reisetasche aus dem Kofferraum holte anstelle der Kofferparade, die sie gepackt hatte, hatte sie zuerst angenommen, daß es sich um ein Versehen handelte, doch Alex räumte rasch die Zweifel beiseite.

»Wir reisen mit leichtem Gepäck. Ich habe die Haushälterin gebeten umzupacken, während wir verheiratet wurden.«

»Sie hatten kein Recht dazu!«

»Wir nehmen die Sachen als Handgepäck, anstatt sie einzuchecken.« Er hatte seine eigene, viel kleinere Tasche aufgehoben, und sie hatte mit offenem Mund zugesehen, wie er davonspazierte, ohne weiter darauf zu achten, ob sie ihm folgte oder nicht. Sie hatte ihre unförmige Reisetasche kaum hochheben können und war mit wackeligen Fußgelenken auf ihren hohen Absätzen hinter ihm hergewankt. Verzweifelt und niedergeschlagen hatte sie sich bemüht, mit ihm Schritt zu halten, wobei sie sicher war, daß jeder ihr nachstarrte, wie sie mit löchrigen Nylons, versengtem Goldkleidchen und einer verwelkten Gardenie im Haar dahinstolperte.

Als er in der Herrentoilette verschwand, wollte sie sich rasch eine neue Packung Zigaretten kaufen, mußte jedoch zu ihrem Leidwesen feststellen, daß sie nur mehr einen einzigen Zehn-Dollar-Schein in ihrer Brieftasche hatte. Entsetzt erkannte sie, daß dies alles war, was ihr noch an Geld geblieben war. Ihre Bankkonten waren aufgelöst, ihre Kreditkarten gekündigt worden. Also steckte sie den Schein wieder in ihren Geldbeutel und schnorrte statt dessen eine Zigarette von einem gutaussehenden Geschäftsmann.

Gerade als sie sie ausdrückte, tauchte Alex aus der Toilette auf, und als sie sah, wie er angezogen war, sank ihr das Herz. Der maßgeschneiderte Anzug war einem vom vielen Waschen schon ganz weichen Jeanshemd gewichen und einer Jeans, die so ausgebleicht war, daß sie beinahe weiß aussah. Ausgefranste Hosenbeine fielen über abgetretene Cowboystiefel. Die Hemdsärmel hatte er hochgekrempelt, wobei zwei kräftige, tiefgebräunte Unterarme mit einem leichten Überzug aus schwarzen Haaren zum Vorschein kamen sowie eine goldene Uhr mit einem Lederarmband. Sie vergrub ihre Zähne in ihrer Unterlippe. Trotz all der Dinge, die ihr Vater ihr bis jetzt angetan hatte, wäre sie nie auf den Gedanken gekommen, daß er sie mit dem Marlboro-Mann verheiraten würde.

Er ging zu ihr, die Reisetasche lässig und locker schwenkend. Die enganliegenden Jeans enthüllten schmale Hüften und endlos lange Beine. Lani wäre außer sich gewesen. »Das war der letzte Aufruf. Komm.«

»Mr. Markov – bitte – Sie wollen das doch nicht wirklich durchziehen. Wenn Sie mir nur ein Drittel der Summe leihen würden, die mir rechtmäßig zusteht, dann könnten wir das hier hinter uns bringen.«

»Ich habe deinem Vater ein Versprechen gegeben, und ich halte immer mein Wort. Kann sein, daß ich altmodisch bin, aber für mich ist das eine Frage der Ehre.«

»Ehre! Sie haben sich an ihn verkauft! Sie haben sich von meinem Vater kaufen lassen! Was für eine Art Ehre ist das?«

»Max und ich haben einen Deal, und ich hab nicht die Absicht, mich zu drücken. Du kannst ihn natürlich brechen, wenn du unbedingt willst; ich werd dich nicht aufhalten.«

»Sie wissen, daß ich das nicht kann. Ich hab überhaupt kein Geld.«

»Dann also los.« Er holte ihre Flugscheine aus seiner Hemdtasche und wandte sich zum Gehen.

Sie besaß kein Bankkonto mehr, keine Kreditkarten, und ihr Vater hatte ihr ausdrücklich befohlen, sich nicht mehr bei ihm zu melden. Mit einem flauen Gefühl im Magen erkannte sie, daß ihr wohl keine andere Wahl blieb, als ihm zu folgen. Sie hievte ihre Reisetasche hoch.

Alex, der schon ein Stückchen vorausgegangen war, kam soeben an der letzten Stuhlreihe vorbei, in der ein Junge im Teenageralter saß und rauchte. Als ihr frischgebackener Ehemann den Jungen passierte, ging dessen Zigarette in Flammen auf.

 

Gut zwei Stunden später stand sie in der brütenden Nachmittagssonne auf dem Parkplatz des Flughafens von Charleston und musterte Alex’ schwarzen, vollkommen verstaubten Pickup, dessen Nummernschild so mit vertrocknetem Schlamm verkrustet war, daß man das Kennzeichen von Florida kaum mehr erkennen konnte.

»Wirf sie einfach auf die Ladefläche.« Alex ließ seine Tasche mit einer lässigen Armbewegung auf besagter Ladefläche landen, erbot sich jedoch nicht, dasselbe für sie zu tun, wie er sich auch nicht erboten hatte, ihr die Reisetasche aus dem Flugzeug zu tragen.

Sie preßte trotzig die Lippen zusammen. Wenn er dachte, daß sie ihn um Hilfe bitten würde, dann hatte er sich geschnitten. Ihre Arme schrien Protest, als sie versuchte, die bullige Reisetasche über die Seitenabgrenzung der Ladefläche zu hieven. Sie spürte seinen Blick im Rücken, und obwohl sie fürchtete, am Ende dankbar dafür zu sein, daß die Haushälterin ihres Vaters so viel in die eine Tasche gestopft hatte, so hätte sie in diesem Moment alles um eins von den kleinen, eleganten Louis-Vuitton-Reisetäschchen gegeben.

Sie packte den Taschengriff mit der einen und die Schlinge am Taschenboden mit der anderen Hand. Mit einem heftigen Ruck riß sie sie hoch.

»Brauchst du Hilfe?« fragte er mit geheuchelter Unschuldsmiene.

»Nein … danke«, grunzte sie vor Anstrengung.

»Bist du sicher?«

Sie hatte die Tasche nun bis auf Schulterhöhe gehievt und besaß nicht mehr genug Luft zum Antworten. Bloß noch ein paar Zentimeter. Sie wackelte auf ihren hohen Absätzen. Nur noch ein paar …

Mit einem verzweifelten Quieken fiel sie mitsamt der Tasche nach hinten. Sie jaulte auf, als sie auf dem Pflaster aufschlug und dann noch mal aus purer Wut. Das Gesicht zur blendenden Sonne aufgewandt, merkte sie, daß die Tasche ihren Fall abgefangen hatte, was der einzige Grund dafür war, daß sie sich nicht weh getan hatte. Außerdem merkte sie, daß sie in einer recht unattraktiven Stellung dahockte. Ihr Minikleid spannte sich über ihre Oberschenkel, ihre Knie waren zusammengepreßt und die Füße rechts und links nach hinten gespreizt.

Ein Paar abgewetzter Cowboystiefel tauchte in ihrem Augenwinkel auf. Ihr Blick glitt an jeansumhüllten langen Beinen hinauf, über eine breite Brust und schließlich zu zwei bernsteinfarbenen Augen, die sie belustigt anfunkelten. Sie raffte rasch ihre Würde und ihre Beine zusammen und stützte sich auf die Ellbogen. »Ich hab’s jedenfalls versucht.«

Sein Glucksen klang irgendwie rostig, als ob er es lange Zeit nicht gebraucht hätte. »Was du nicht sagst.«

»Ja, das sage ich.« Mit so viel Würde, wie sie aufbringen konnte, drückte sie sich noch ein wenig höher in eine sitzende Position. »Daran ist nur Ihr kindisches Verhalten schuld, und ich kann nur hoffen, daß es Ihnen leid tut.«

Er stieß ein bellendes Gelächter aus. »Du brauchst einen Wärter, Engelchen, keinen Ehemann.«

»Würden Sie bitte aufhören, mich so zu nennen!«

»Sei froh, daß ich dich nicht anders nenne.« Er schnappte sich den Taschengriff mit drei Fingern einer Hand und warf sie über die Abgrenzung auf die Ladefläche, als ob sie nicht mehr wöge als ihr Stolz. Dann zog er sie mit Schwung auf die Füße, sperrte die Wagentür auf und stieß sie in die brüllheiße Fahrerkabine.

Sie hatten den Flughafen bereits weit hinter sich gelassen und befanden sich nun auf einer zweispurigen Schnellstraße, die ins Landesinnere zu führen schien anstatt nach Hilton Head, wie sie gehofft hatte, als sie sich endlich wieder so weit über den Weg traute, um erneut den Mund aufmachen zu können.

Eine weite, ausgedörrte, mit Zwergpalmen und trockenem Unterholz bestandene Ebene erstreckte sich zu beiden Seiten der Straße, und bei der heißen Luft, die durch die offenen Wagenfenster hereinwehte, flatterte ihr das Haar nur so um die Wangen. Mit bewußt freundlicher Stimme meinte sie schließlich, das lange Schweigen unterbrechend: »Könnten Sie bitte die Klimaanlage einschalten? Der Wind bläst mich ja in alle Richtungen.«

»Die funktioniert schon seit Jahren nicht mehr.«

Vielleicht stumpfte sie ja allmählich ab, denn seine Antwort überraschte sie nicht. Meile um Meile zog an ihnen vorbei, und die Besiedlung wurde immer dünner. Noch einmal stellte sie ihm die Frage, die er nicht hatte beantworten wollen, als sie aus dem Flugzeug ausstiegen. »Würden Sie mir bitte sagen, wo wir hinfahren?«

»Ist wahrscheinlich besser für deine Nerven, wenn du wartest, bis du’s mit eigenen Augen siehst.«

»Klingt nicht gerade gut.«

»Laß es mich so sagen. Eine Cocktail-Lounge gibt’s da nicht.«

Jeans, Cowboystiefel, Pickup mit Florida-Kennzeichen. Vielleicht war er ja ein Rancher! Sie wußte, daß es viele reiche Rinderzüchter in Florida gab. Vielleicht nahmen sie ja den längeren Weg nach Süden. Bitte, lieber Gott, mach, daß er ein Rancher ist. Wie in Dallas. Wunderschönes Haus, schicke Kleider, Sue Ellen und J.R. eingeölt am Swimmingpool .

»Sind Sie ein Rancher?«

»Seh’ ich etwa so aus?«

»Im Moment klingen Sie wie ein Psychiater. Sie beantworten eine Frage mit einer Frage.«

»Da kenn’ ich mich nicht aus. Hab’...